Mauern, Tore und Türme in Sachsen-Anhalt:

Die Stadtmauer in Halberstadt

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Dom zu Halberstadt
Halberstadt - das Tor zum Harz - bietet neben den Sehenswürdigkeiten (echte Schätze! - z. B. den Domschatz) auch Erstaunliches zum Hören (ein Jahrhunderte (!) andauerndes Musikstück) und darüber hinaus viel Grün beim Bummel entlang der ehemaligen Stadtmauer um die mittelalterliche Altstadt. Die spärlichen Reste der Stadtbegrenzung werden manche Besucher Halberstadts aber wohl gar nicht bemerken, haben sie doch mit den vielen anderen Sehenswürdigkeiten schon genug zu tun... Doch wer mehr über die Geschichte der Stadt erfahren will, ist mit einem Besuch des Städtischen Museums gut beraten. Hier befindet sich auch ein Stadtmodell im Maßstab 1:500, das einen hervorragenden Überblick über die Strukturen des mittelalterlichen Halberstadt gibt.

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Entwickl. Halberstadts, nach /1/
Stadttore: 1-Breites Tor
2-Kühlinger Tor, 3-Harsleber Tor
4-Johannestor, 5-Burcharditor
6-Gröpertor, 7-Wassertor
Zur Entstehung des mittelalterlichen Stadtgrundrisses, der dann von einer Stadtmauer mit Türmen und Toren eingefasst wurde, schreibt Monika Lüdemann (1) folgendes (auszugsweise): "Der mittelalterliche Stadtgrundriss von Halberstadt übermittelt das Bild einer gewachsenen Bischofsstadt. Die drei Elemente Domimmunität, angegliederter Markt sowie ein weit umspannender Kranz von Klöstern und Stiften weisen Halberstadt als typisch ottonische Stadt aus. Die umliegenden Kirchenbauten auf Hügeln oder betonten Punkten des Geländes formten eine sakrale Landschaft, deren Kern der Bischofssitz war. (...)" (1)
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Holzmarkt mit Brunnen und wieder
aufgebautem Rathaus

Die Marktsiedlung erlangt schließlich immer mehr Bedeutung, was der Bischof urkundlich anerkennt. 1108 tritt erstmals die Bezeichnung 'civitas' auf. Der Marktort war mit einem Wall mit Palisaden und Graben gesichert. Die hölzerne Befestigung wird Anfang des 13. Jahrhunderts durch eine Steinmauer ersetzt. (2)

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Mauer der Domburg (Düstergraben)
und Liebfrauenkirche
Monika Lüdemann weiter: "Letzter wichtiger Schritt zur mittelalterlichen Stadtgemeinschaft war der Bau der Stadtmauer. Auslöser hierfür war die Zerstörung Halberstadts 1179 durch Heinrich den Löwen. Bereits zwanzig Jahre später werden erste Teile der Mauer im Südosten beim Breiten Weg erwähnt. Bis Mitte des 13. Jahrhunderts umschloss sie das gesamte Siedlungsgebiet. Die Stadtmauer machte die Schutzwälle und Gräben um die Domburg überflüssig. Mit der Auffüllung des Burggrabens entstanden nördlich der Burg die Straßen Düstern- und Lichtegraben, im Osten der Hohe Weg. Dieser Hohe Weg schloss Richtung Norden mit der Kulkstraße die neu entstandene Moritzsiedlung an den zentralen Marktbereich an und übernahm alsbald die Funktion der Nord-Süd verlaufenden Hauptstraße. Auch die Ost-West-Achse über Breiten Weg, Schmiedestraße und Westendorf fand erst jetzt ihre endgültige Lage."
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Wassertorturm (7 in Skizze)

Wir beginnen unseren Rundgang um die Altstadt im Osten am einzigen erhaltenen Turm am ehemaligen Wassertor (Nr. 7 in obiger Skizze) und spazieren (im Uhrzeigersinn) in den Grünanlagen entlang der einstigen Altstadtbegrenzung.
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Martinikirche
M. Lüdemann: "Die Ummauerung der Stadt formte im Osten die drei von Kaufleuten und Handwerkern besiedelten Gebiete um Martinikirche, St. Pauli und St. Moritz zum städtischen Weichbild. Dagegen blieb die Vogtei als bischöflicher Dienstrechtsbereich von der Stadt ausgeschlossen. Für das städtische Weichbild bedeutete der Mauerbau den entscheidenden Schritt zur Bildung einer Stadtgemeinde: Zu den Zoll- und Marktrechten kamen nun die Wehr- und Steuerhoheit hinzu, was der Bildung von städtischen Institutionen, insbesondere des Rats, Vorschub leistete. Desweiteren kristallisierte sich schrittweise das Stadtrecht der Bürgergemeinde heraus, von dem sich die großen Stifte durch Privilegien abgrenzten. Sie bildeten mit ihren 'Freiheiten' Sonderrechtsbezirke, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wirksam blieben. Mit der Ummauerung war am Ende des 13. Jahrhunderts der Aufbau Halberstadts vollendet." (1)

Stadtmauerreste im Osten
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"Die Stadtmauer definierte über 500 Jahre die räumliche Ausdehnung der Stadt. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die Öffnung und später die planmäßige Erweiterung Halberstadts. Der mittelalterliche Grundriss der Innenstadt blieb bis zur Zerstörung im April 1945 in weiten Teilen erhalten." (1)

Stadtmauer in Halberstadt
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Die einst etwa 4 km lange Stadtmauer ist heute nur noch in Resten (vor allem an der Ostseite der Altstadt entlang der Schwanebecker und Schützenstraße) erhalten. Sie hatte eine Höhe von etwa 5,50 Meter, eine Breite von etwa 1,90 Meter und innen einen hölzernen Wehrgang. Vor der Mauer befanden sich Wälle und Gräben, etwa 30 Türme, sowohl runde als auch rechteckige, schützten die Stadt und sieben Tore führten in sie hinein. Die Mauern wurden im 15. und 17. Jahrhundert noch einmal ausgebessert und verstärkt. 1969/70 erfolgte eine Restaurierung.

6-Türme-Blick und Stadtmauer im Südwesten
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Im 19. Jahrhundert wurden die Wälle abgetragen und Promenaden angelegt. Und so sind auch alle Tore und Türme verschwunden, lediglich der Wassertorturm (1444) blieb erhalten. Die Namen der Halberstädter Tore in der Reihenfolge ihres Abrisses sind:
Harsleber Tor (Abriss 1828), Breites Tor (Abriss 1841), Gröpertor (Abriss 1847), Kühlinger Tor (Abriss 1854), Burcharditor (Abriss 1862), Johannistor (Abriss 1873), Wassertor (Turm erhalten)

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Fachwerkhäuser im Stadtviertel Vogtei, rechts: Promenade Poetenweg

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sog. "Stelzfuß", gemalt
auf einem techn. Häuschen
der Stadtwerke
Durch die sinnlose Bombardierung am 8. April 1945 wurde ein Großteil der Altstadt zerstört, ganze Straßenzüge mit Fachwerkhäusern gingen verloren. Alte Fotografien und Bilder verdeutlichen den Verlust. Nur im (nord-)westlichen Stadtviertel Vogtei blieben (inzwischen restaurierte) Fachwerkbauten erhalten, die vielleicht eine kleine Vorstellung vom Flair des alten Halberstadt geben können. Und damit gelangen wir an der Nordseite der Altstadt auch wieder zu unserem Ausgangspunkt Wassertorturm zurück. Vorher sollte man aber unbedingt einen Abstecher über das Flüsschen Holtemme zur Burchardikirche machen, denn hier gibt es ein absolutes Highlight: ASLSP = as slow as possible. Was es damit auf sich hat? Unbedingt hingehen - man kann es hören...

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Holtemme und Burchardiklosterkirche mit akustischem Anstoß zu anspruchsvollem Nachdenken


Geschafft! Einmal die Altstadt ganz umrundet landen wir wieder am Wassertorturm.

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Wassertorturm mit Inschrift; Galerie und Kegeldach sind nicht ursprünglich

Quellen:
(1) Monika Lüdemann, Quartiere und Profanbauten der Juden in Halberstadt, Diss. 2004, TU Braunschweig, Fachbereich Architektur, S. 7 f.
(2) Horst Scholke, Halberstadt, Kunstgeschichtliche Städtebücher, VEB E. A. Seemann Verlag Leipzig 1977

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