Romanische Backsteinkirchen im Jerichower Land - Teil 1


Die Dorfkirche in Melkow

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Dorfkirche Melkow
Melkow liegt etwa 7 km in Richtung Nordost von Jerichow entfernt und es ist zu vermuten, dass das Dorf dem Stift Jerichow 1145/1146 übereignet wurde, auch wenn eine entsprechende Urkunde erst aus dem Jahr 1254 bekannt ist. Der sehr "sorgfältig ausgeführte einheitliche Backsteinbau" der Dorfkirche steht in der Nachfolge der Klosterkirche Jerichow (Dehio). Die vierteilige Dorfkirche ist etwa "25 Meter lang und besteht aus dem flachgedeckten Rechtecksaal, eingezogenem quadratischen und gewölbten Chor und halbkreisförmiger Apsis. Westlich an den Saal schließt sich in gleicher Breite ein querrechteckiger Westturm an. Die Mauerstärke beträgt am Westturm 1,08 Meter, sonst einheitlich 0,83 bis 0,85 Meter." (R. Naumann)

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Westportal und als Fenster genutzte ehemalige Portale im Schiff

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"Priesterpforte"
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aus: Adler (2), Blatt XXIV
Die hochliegenden Fenster sind im ursprünglichen Zustand erhalten. An der Nord- und Südwand des Schiffes und im Westturm befinden sich rundbogige Portale mit rechteckiger Wandvorlage und einfach gestuften Gewänden. Die beiden gegenüber liegenden Portale des Schiffes sind heute zur Hälfte zugemauert und werden als Fenster genutzt. Die in der Nordostecke zwischen Chor und Schiff liegende Priesterpforte ist ebenfalls vermauert. In der Apsis befinden sich drei Rundbogenfenster, der Scheitel des mittleren liegt dabei höher als die beiden anderen.

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Der Kirchenbau wird durch Ecklisenen sparsam gegliedert. Über  den Fenstern von Turm, Schiff und Chor befinden sich Winkelfriese auf einfachen Konsolen. (An der Südseite, östlich des Turmes, besteht dieser Fries aus vier Rundbögen. Waren die gebogenen Backsteine damals übriggeblieben?). Die Apsis wird hingegen durch einen doppelten Winkelfries (Rauten) und zusätzlich durch ein sogenanntes "Deutsches Band" (mit der Kante nach vorn gestellte Steine) geschmückt.

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Am Turm sind in regelmäßigen Abständen sogenannte Rüstlöcher vorhanden. Beim Bau des Turmes wurden Holzbalken in diese Löcher als "mitwachsendes Gerüst" gesteckt. Als man dann die Balken nach Fertigstellung herauszog, blieben die Löcher bestehen. Solche Rüstlöcher sind typisch für mittelalterliche Backsteinbauten. Schaut man sich weiter unten das Mauerwerk genauer an, dann sind hier zahlreiche Rillen- und Näpfchenschürfungen zu sehen. Ihre Deutung ist bis heute umstritten, sie reicht von Messerschärfen bis hin zur Herstellung von Heilpulvern...  Hingegen dürfte die Verwendung und der Nutzen der sogenannten "Ritzsonnenuhren" an der Südwand eindeutig sein.

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Rillen, Näpfchen und Sonnenuhren

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Die Dorfkirche Melkow ist eine Station auf der "Straße der Romanik", die im Bundesland Sachsen-Anhalt auf einer Nord- und einer Südroute knapp 100 Bauwerke mit romanischer Architektur miteinander verbindet. An jeder Station klären Informationstafeln über die Besonderheiten und über die Geschichte der Bauwerke auf.
Informationstafel: Dorfkirche Melkow
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1145 Bischof Anselm von Havelberg überlässt dem Kloster
Jerichow die Marienburg mit den dazugehörigen Dörfern,
unter anderem auch Melkow.
um 1200 Die Prämonstratenser des Klosters Jerichow beginnen
mit dem Bau einer Kreuz-Christi-Kapelle. Wahrschein-
lich ist diese zur jetzigen Kirche mit flachgedeck-
tem Schiff, quadratischem und kreuzgratgewölbtem Chor
mit Apsis und mit mächtigen Westquerturm erweitert
worden. Das Turmuntergeschoss war ursprünglich durch
eine große Bogenöffnung mit dem Schiff verbunden.
Das Außenmauerwerk ist regionstypisch mit Lisenen,
Sockeln und Friesen versehen. Auffällig sind einige
mittelalterliche Sonnenuhren auf der Südseite und
die zahlreichen Rillen- und Näpfchenschürfungen an
den Außenwänden, deren Deutung ebenso umstritten ist,
wie die Tierpfotenabdrücke an den Fußbodensteinen im
Innern.
1631-1648 Im 30jährigen Krieg wird nahezu die gesamte Ausstattung
der Kirche geplündert. Nur ein silberner Abendmahlskelch
mit dem Hostienteller, in den Kriegswirren im Pfarr-
garten vergraben, wurde 1682 zufällig wiedergefunden.
Er steht als Leihgabe im Kloster Jerichow.
1726 König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) verleiht Hans
Heinrich von Katte auf Wust und seinen Nachkommen das
Patronat über die Kirchen von Melkow und Wust, das
bis ins 20.Jahrhundert bei der Familie bleibt.
1843 Eine Orgel wird eingebaut (heute nicht mehr vorhanden.)
1953 Die mit Figuren ausgestattete, seltene romanische Taufe
aus Sandstein (um 1200), die wahrscheinlich aus einer
aufgegebenen Kirche stammt, findet, nachdem sie als
Blumenständer und Waschzuber diente, endlich den ihr
gebührenden Platz in der Kirche zu Melkow. Von den
ursprünglich acht figürlichen Darstellungen sind noch
drei erhalten.
1985-1986 Der Innenraum wird in seiner ursprünglichen Gestalt
wiederhergestellt und 1997 das gesamte Dach der Kirche
(Turm-Apsis) saniert.
2010 Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz
werden alle Risse am Baukörper aufwändig saniert.
Bemerkenswert ist das spätromanische Kruzifix, das
heute auf dem Altar steht.
Im Kirchenschiff ist neben dem Modell eines slawischen
Dorfes eine von Mitgliedern des Geschichtskreises im
Kirchspiel Wulkow/Wust gestaltete ständige Ausstellung
"Backsteinkirchen im Elbe-Havel-Winkel / Wege der nord-
deutschen Backsteinkunst" zu besichtigen.



Die Dorfkirche in Wust

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Dorfkirche Wust
Wust ist nur einen Katzensprung von Melkow (gut 1 km nach Norden) entfernt und gehörte ebenso wie Melkow zur Ausstattung des Klosters Jerichow. Beide Dorfkirchen sind von ursprünglich ähnlicher Baugestalt, auch wenn es auf den ersten Blick bei Wust anders scheint. Die Dorfkirche Wust ist ein vierteiliger spätromanischer Backsteinbau (um 1200) und besteht aus einem flachgedeckten Rechtecksaal, eingezogenem quadratischen und gewölbten Chor und halbkreisförmiger Apsis. Im Westen schließt sich an das Kirchenschiff ein querrechteckiger Turmunterbau mit hohem Fachwerkturm an. Die Gesamtlänge der Kirche beträgt 32 Meter, die Mauerstärke des Westturms 1,20 bis 1,14 Meter, sonst 0,90-0,95 Meter (R. Naumann). Die Backsteinwandflächen waren zeitweise überputzt.
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Figurengrabstein
Ähnlich wie in Melkow besaß das Schiff zwei gegenüberliegende Portale in rechteckigen Wandvorlagen. Beide sind nicht mehr nutzbar, das Südportal ist durch einen Figurengrabstein verschlossen, das Nordportal ist bis zur halben Höhe vermauert. Die ursprünglichen Rundbogenfenster sind sowohl am Schiff als auch an Chor und Apsis vergrößert. Über der Fensterzone des Schiffes befindet sich ein Winkelfries, darüber ein Deutsches Band (Sägezahn).
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Näpfchen
Rillen- und Näpfchenschürfungen finden sich ebenfalls am Mauerwerk. Am Chor zeigt sich eine vertikal durch- (das Fenster) gehende Mauerfuge.
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Störung im Chorbereich
Die östlichen Chorteile und die Apsis wurden in nachmittelalterlicher Zeit neu errichtet, wodurch sich die Unregelmäßigkeiten und der Wechsel im Mauerwerk erklären (anderes Steinformat, nur noch Konsolenfries statt Winkelfries, flachgedrückte Apsis). Darüber hinaus muss ein mächtiger Stützpfeiler die Südecke zwischen Chor und Apsis zusätzlich stabilisieren. 1706/1707 wurde an die Apsis noch eine neue Gruft für die Adelsfamilie von Katte angebaut, da die bisherige Grablege der Familie zu klein geworden war.

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Südseite, Chor mit Stützpfeiler und Katte-Gruft, Apsis, Chor und Nordseite

Statt des jetzigen Fachwerkturmes war davor mit hoher Wahrscheinlichkeit ein mittelalterlicher Westquerturm vorhanden. Er ist möglicherweise irgendwann eingestürzt oder abgetragen worden oder wurde vielleicht im 30jährigen Krieg zerstört. Ab 1726 stand die Kirche unter dem Patronat der Familie von Katte, die eine weitgehende Barockisierung durchführen  ließ, die Außenwände mit Putz versah und den hohen Fachwerkturm mit neuer Westfassade errichten ließ.

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Grabplatten und Westfassade

Wust ist ebenfalls eine Station an der "Straße der Romanik". Neben der Kirche kann man an der Tafel noch weitere interessante Einzelheiten zum Dorf, zur Kirche oder zu Katte lesen.

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Informationen an der Tafel neben der Dorfkirche Wust


Die Dorfkirche Redekin


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Dorfkirche Redekin
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Dorfkirche Redekin
Das Dorf Redekin gehörte ebenfalls mit zum ältesten Grundbesitz des Klosters Jerichow. Später wechselten die Herrschaftsverhältnisse, im 18. Jahrhundert befand sich das Dorf im Besitz von fünf verschiedenen Gutsherrschaften. Vielleicht ist gerade deshalb die Kirche nahezu unverändert in ihrer Originalsubstanz überkommen. Die Kirche ist vierteilig (sogenannter vollständiger Typ), sie besteht aus dem Turm, dem rechteckigen Saal, dem eingezogenen quadratischen und gewölbten Chor und der Apsis. Der Westquerturm hat mehrere Geschosse, er ist vollständig erhalten. Die Gesamtlänge des Bauwerks beträgt 32,40 Meter, die Mauerstärke des Turms 1,27 Meter, die Mauern von Schiff, Chor und Apsis betragen 0,95, 1,08 bis 1,15 und 1,00 Meter. (R. Naumann)

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Die Portale des Kirchenschiffs sind mit rechteckigen Wandvorlagen versehen, die Öffnungen wurden später bis zur Hälfte geschlossen und so dienen die ehemaligen Portale jetzt als Fenster.
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Dorfkirche Redekin
aus: Adler (2), Blatt XXIV
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Dorfkirche Redekin
Die hochgelegenen je fünf Rundbogenfenster der südlichen und nördlichen Schiffswände sind hingegen unverändert. Die Wandflächen des qualitätsvollen Backsteinbaus werden durch vertikale Lisenen gegliedert. Zwischen den Lisenen befinden sich oberhalb der Fensterzone auf Konsolen an der Südseite ein Kreuzbogenfries, an der Nordseite ein Rautenfries, darüber jeweils ein Sägezahnfries (deutsches Band). Die Chorwände sind ebenfalls durch Lisenen gegliedert, über den Fenstern verlaufen diesmal ein Rundbogenfries, darüber ein Konsolen- und Sägezahnfries. An der Nordseite des Chores wurde noch in romanischer Zeit (1200) eine Sakristei angebaut.

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Dorfkirche Redekin, Ansicht von Osten und Apsisfries

Die Apsis wird durch Lisenen, Konsolen, einen sehr sorgfältig ausgeführten Kreuzbogenfries sowie einen Sägezahnfries geschmückt. Die weißen Putzungen der Bögen bzw. Zwickel verstärken den dekorativen Effekt noch. An der Südostecke der Apsis befindet sich ein geputztes Tatzenkreuz, vielleicht ist es ein Hinweis auf eine Grabstelle.
Auch an der Dorfkirche Redekin sind Rillen- und Näpfchenschürfungen am Mauerwerk vorhanden. Und neben der Priesterpforte am Chor entdeckt man noch zwei mittelalterliche Ritzsonnenuhren.

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Dorfkirche Redekin, Westportal, Priesterpforte und Ritzsonnenuhren

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Das in der quadratischen Wandvorlage liegende Westportal ist original aus der Bauzeit erhalten. Mehrfach gestuft, mit eingestelltem Dreiviertelrundstab in der mittleren Stufe und einem Bogenwulst sowie weiteren Rundungen und (ganz) kleinen Würfelkapitellen, zeigt es eine sehr aufwändige Gestaltung für eine Dorfkirche. In der Westwand des Turmes befinden sich oberhalb des Portals zwei Rundfenster, der Winkelfries des Schiffes setzt sich hier (unterbrochen durch die Ecklisenen) fort.
Der stattliche Backsteinbau (Dehio) zählt mit seiner sorgfältigen Ausführung zu den wichtigsten und besterhaltenen Nachfolgebauten Jerichows. Die Dorfkirche Redekin ist eine weitere Station auf der "Straße der Romanik".

Die Tafel vor der Kirchhofmauer bietet Wissenswertes:
Informationstafel: Dorfkirche Redekin
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Ende Im Zusammenhang mit dem Bau der Klosterkirche in
12. Jh. Jerichow, wird auch in Redekin, das zum ältesten
Grundbesitz des Klosters gehört, mit dem Bau einer
großen Hallenkirche aus Backsteinen begonnen. Die
Kirche mit eingezogenem quadratischem und gewölb-
tem Chor mit Apsis verfügt regionstypisch über
einen mächtigen Westquerturm, der im Erdgeschoss
durch einen großen Rundbogen mit dem Kirchenschiff
verbunden war. Das Außenmauerwerk ist durch Wand-
vorlagen, Sockel und Lisenen gegliedert und mit
Winkel- und Rundbogenfriesen geschmückt. An der
Südseite sind zwei in den Backstein geritzte Sonnen-
und an der Südwestwand des Chores ein geputztes
Tatzenkreuz erhalten. Drei der originalen Zugänge
zum Schiff sind heute zu Fenstern vermauert. Das
aufwändige Stufenportal im Erdgeschoss des Turmes
ist wie eine kleine Priesterpforte an der Südseite
des Chores aus der Bauzeit der Kirche. Die Priester-
pforte ist heute mit einer gut erhaltenen gotischen
Tür verschlossen.
um 1200 Die Sakristei wird an die Nordseite des Chores an-
gebaut.
1631 Beim Durchzug schwedischer Truppen wird die Kirche
durch einen Brand beschädigt.
1652/1653 Das schlichte Gestühl aus unbehandeltem Kiefernholz
wird aufgestellt.
um 1700 Die mit einfachen Rankenschnitzereien versehene
Kanzel und die Emporen werden eingebaut. Etwas
später erfolgt der Einbau der Orgel.
19. Jh. Im Innern werden die verputzten Wandflächen neu aus-
gemalt und die Fenster in der Apsis erhalten 1901
neue Bleiverglasung.
Zur Erstausstattung der Kirche gehören vermutlich
der Taufstein mit einer Schaftergänzung des 16. Jahr-
Ihunderts, ein kleines bronzenes Vortragekreuz
aus der Mitte des 12. Jahrhunderts und ein spätro-
manisches Kruzifix. Auf dem Altar steht ein Schrein
mit geschnitzten Heiligenfiguren aus der 2. Hälfte
des 15. Jahrhunderts. Von den im Chor aufgestellten
Epitaphien ist der Figurgrabstein des Caspar von
Randow (gest. 1581) erwähnenswert.


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Abschließend sollen die Grundrisse (nach /1/) der drei Kirchen hier zum Vergleich angegeben werden. Die Ähnlichkeit macht ihre Verwandschaft deutlich.
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Literatur:
1) Rolf Naumann, Romanische Backsteinkirchen im Jerichower Land, Perleberg 1993
2) F. Adler, Mittelalterliche Backstein-Bauwerke des Preußischen Staates, Bd. 1, Berlin 1862, Digitalisat: Univ. Heidelberg
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Der Ausflug ins Jerichower Land und allgemein zur Backsteinarchitektur wird fortgesetzt:

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Jerichower Land - Teil 2