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Romanische Backsteinkirchen im Jerichower Land - Teil 2
Wir bleiben im Mittelalter und in unmittelbarer Nähe zu Jerichow. Im 11. und 12. Jahrhundert war die Politik der deutschen Könige und Kaiser auf die "Renovatio imperii", die Erneuerung des (römischen) Kaiserreiches, ausgerichtet. Die deutschen Könige zogen über die Alpen nach Italien und ließen sich in Rom zum Kaiser krönen. Die Feudalherren im Lande verfolgten eigene Ziele und bauten ihre Position aus. Im Nordosten des Reiches gehörten große Teile des Gebietes im Elbe-Havel-Winkel zum Besitz der Grafen von Stade. Hartwig von Stade, später Erzbischof von Bremen, hatte entscheidenden Anteil bei der Gründung des Klosters Jerichow.
Dorfkirche Großmangelsdorf
Dorfkirche Großmangelsdorf
Der Ort liegt nur etwa 3 km in Richtung Nordost von Jerichow entfernt, da ist eine Bauverwandtschaft eigentlich zu erwarten. Mangelsdorf wird zwar erst im 14. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt, doch der stattliche romanische Backsteinbau der Kirche dürfte aus der Zeit um 1200 stammen (Dehio). Der quadratische Westturm wurde aber erst 1831 errichtet. Es handelt sich bei der ursprünglichen Mangelsdorfer Kirche also um einen dreiteiligen Bau, bestehend aus langgestrecktem Rechtecksaal, eingezogenem quadratischen Chor und der halbkreisförmigen (flachgedrückten) Apsis. Die Gesamtlänge beträgt 33,70 Meter, das Mauerwerk ist sorgfältig aus Steinen einheitlicher Größe ausgeführt (R. Naumann).
Das Kirchenschiff besitzt auf Nord- und Südseite je fünf, der Chor je zwei schmale hohe Rundbogenfenster.
Das Kirchenschiff besitzt auf Nord- und Südseite je fünf, der Chor je zwei schmale hohe Rundbogenfenster.
Dorfkirche Großmangelsdorf
Dorfkirche Großmangelsdorf
Nach dem Brand von 1822 wurden bei den Wiederherstellungsarbeiten des 19. Jahrhunderts der Turm errichtet und das Mauerwerk der westlichen Schiffswände neu aufgeführt. Damals wurden wahrscheinlich die Fenster verändert, vielleicht entanden auch die westlichen Fenster neu, ihr Abstand weicht beträchtlich von den anderen ab. In das Kirchenschiff führten ursprünglich zwei gegenüberliegende einfach gestufte Portale. Beide sind heute ebenso geschlossen/vermauert wie die Priesterpforte an der Südwand des Chores.
Priesterpforte am Chor
Betrachtet man die Priesterpforte etwas genauer, dann wird der hohe Anspruch deutlich, den die alten Baumeister vor mehr als 800 Jahren an die Realisierung selbst eines einfachen Einganges für diese Dorfkirche stellten. Denn es ist nicht nur die rechteckige Wandvorlage, in der sich die Pforte befindet, darüber hinaus werden genau angepasste Backsteine verwendet. Der erste Stirnbogen der Pforte besteht aus senkrecht aufgestellten keilförmigen Steinen, auch der zweite Bogen besteht aus keilförmigen Steinen und darüber befindet sich eine dritte Reihe diesmal längs gebogener Steine. Wenn diese Steine tatsächlich aus der Erbauungszeit sind, dann verdienen die Erbauer wirklich Respekt!
Schmuckfriese
Apsis mit Schmuckfries und
Halbrundstab-Lisene
Die Apsiswand wird durch zwei lisenenartige Halbrundstäbe (mit kleinen Würfelkapitellchen) in drei Felder geteilt, in denen sich die aus romanischer Zeit erhaltenen Rundbogenfenster befinden. An allen drei Bauteilen (Schiff, Chor, Apsis) sind die sich aus den Ecklisenen entwickelnden Schmuckfriese gut erhalten. Sie bestehen bei Schiff und Chor aus einem sorfältig hergestellten Rundbogenfries auf Konsolen, darüber befinden sich zwischen zwei Steinlagen (Läufer) ein Sägezahnfries (auch deutsches Band genannt) und anschließend ein Konsolfries, der das vorkragende Dachgesims aufnimmt. An der Apsis finden wir einen Kreuzbogenfries (auf Konsolen), darüber vorkragende Konsolen, die den Sägezahnfries aufnehmen.
Auch in Großmangelsdorf lassen sich Rillen- und Näpfchenschürfungen finden. An der Südostecke des Kirchenschiffes befindet sich in etwa drei Metern Höhe eine Ritzsonnenuhr, ein Polstab steckt (provisorisch) im Mauerwerk. Nicht unerwähnt werden soll noch, dass der im 19. Jahrhundert errichtete neoromanische Backsteinturm sich gut an die vorgefundenen Gegebenheiten anpasst. Möglicherweise stammt der Entwurf aus der Bauschule um Schinkel.
Dorfkirche Fischbeck
Dorfkirche Fischbeck
Fischbeck liegt etwa 5 km nördlich von Jerichow. Die Dorfkirche von Fischbeck liegt geschützt vor etwaigem Elbehochwasser auf einer leichten Anhöhe und ist dadurch nicht zu übersehen.
Im Schaukasten an der Kirche kann man lesen, dass die spätromanisch-frühgotische Backstein-Dorfkirche aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt. Weiter heißt es dort: "Im 12. Jh. gehörte der Ort zum Bistum des Domstiftes Havelberg. Das Patronatsrecht der Kirche lag beim Kloster Jerichow. Ab 1562 gelangte Fischbeck in den Besitz der Altmärker "von Bismarck". Die von Bismarcks hatten ab dieser Zeit auch das Patronat über die Kirche.
Im Schaukasten an der Kirche kann man lesen, dass die spätromanisch-frühgotische Backstein-Dorfkirche aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt. Weiter heißt es dort: "Im 12. Jh. gehörte der Ort zum Bistum des Domstiftes Havelberg. Das Patronatsrecht der Kirche lag beim Kloster Jerichow. Ab 1562 gelangte Fischbeck in den Besitz der Altmärker "von Bismarck". Die von Bismarcks hatten ab dieser Zeit auch das Patronat über die Kirche.
Von dem ehemals vierteiligen Baukörper sind nur Saal und Westturm unverändert. Im Mittelalter wurde der Chor neu gestaltet, so dass der alte spätromanische Chor mit Apsis nur vermutet werden kann. Eine diesbezügliche archäologische Grabung hat noch nicht stattgefunden. Westturm und Saal (beide gleich breit) üben auf den Betrachter eine besondere Anziehungskraft aus. Die außergewöhnliche Wucht und Stärke des Westturms macht die Kirche zu einer "Burg Gottes".
Text im Schaukasten
Westportal
Über dem dreifach gestuften Westportal befindet sich ein (zugemauertes) Rundfenster. Das Glockengeschoss hat rundum zehn leicht spitzbogige Rundbogenöffnungen. Der Zugang zum Saal besteht aus einer hohen Rundbogenöffnung, sowie zwei seitlichen rundbogigen Durchgängen.
Der kurze rechteckige Saal (9,80 m x 7,55/7,75 m) öffnet sich zum Chor mit einem hohen Triumphbogen.
Von außen haben Westturm und Saal romanische Bauzier (Konsolfries, Stromband etc.). Als Baumaterial wurde für Westturm und Saal ein einheitlicher Backstein im Klosterformat (27 cm x 12 cm x 9 cm) verwandt. Der später erbaute Chor hat das einheitliche Backsteinmaß von 29 cm x 14 cm x 9 cm. (Anmerkung hb: Zum Teil besteht der Chor auch aus Feldstein.)
Der Grundriss zeigt eine starke Verschiebung der Längsachse nach Norden (... soll die Neigung des Kopfes von Jesus am Kreuz symbolisieren.)"
(...)Der kurze rechteckige Saal (9,80 m x 7,55/7,75 m) öffnet sich zum Chor mit einem hohen Triumphbogen.
Von außen haben Westturm und Saal romanische Bauzier (Konsolfries, Stromband etc.). Als Baumaterial wurde für Westturm und Saal ein einheitlicher Backstein im Klosterformat (27 cm x 12 cm x 9 cm) verwandt. Der später erbaute Chor hat das einheitliche Backsteinmaß von 29 cm x 14 cm x 9 cm. (Anmerkung hb: Zum Teil besteht der Chor auch aus Feldstein.)
Der Grundriss zeigt eine starke Verschiebung der Längsachse nach Norden (... soll die Neigung des Kopfes von Jesus am Kreuz symbolisieren.)"
Lit.: R. Naumann, Romanische Backsteinkirchen im Jerichower Land, Perleberg 1993
Text (kursiv): Gerd E. Schug, Herne (aus dem Schaukasten an der Kirche)
Die Dorfkirche Großwulkow
Dorfkirche Großwulkow
Großwulkow
Der Ort Wulkow wird in der Stiftungsurkunde des Klosters Jerichow 1144 erstmals erwähnt. Das Dorf gehörte zum Eigenbesitz der Grafen von Stade, wurde dem neugegründeten Kloster Jerichow zugesprochen und blieb (bis zur Auflösung) in seinem Besitz. Eine weitere Urkunde aus dem Jahr 1172 enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf eine hier bereits bestehende Kirche. Die Forschung ist sich nicht ganz einig, ob es sich bei der jetzigen Kirche in Großwulkow um den Ursprungsbau (also noch vor 1172 entstanden) handelt, oder ob eine Erweiterung, vielleicht ein Zweitbau, um oder nach 1200 vorliegt. So oder so gehört das Bauwerk mit zu den ältesten und eindruckvollsten romanischen Backsteinkirchen der Region.
Die Kirche ist vierteilig (sogenannter vollständiger Typ) und besteht aus dem schmalen, zweigeschossigen Westquerturm (mit einem Fachwerkaufsatz), dem rechteckigen Saal, dem nahezu quadratischen Chor und einer halbrunden (flachgedrückten) Apsis. Das Kirchenschiff wird auf jeder Seite durch drei, der Chor durch zwei Fenster belichtet. Alle Fenster wurden nachträglich vergrößert. Über den Fenstern des Schiffes schmücken Kreuzbogenfriese auf Konsolsteinen mit darüberliegendem Sägezahn (deutsches Band) die Wandflächen der Nord- und Südseite, beim Chor und an der Apsis sind es Winkelfriese und deutsches Band.
Ein (mittelalterlicher?) Stützpfeiler sichert die Apsis, wodurch das mittlere der drei Apsisfenster verdeckt wird. Vorwiegend an der südlichen Schiffswand sind Rillen- und Näpfchenschürfungen zu entdecken.
Westportal
Mauerwerk am Turm
Beim Anschluss der Turmes an die westlichen Seiten der Schiffswände wurde offenbar einiges verändert. Die Schiffswände brechen unvermittelt ab, dabei wurden zwei Fenster zugemauert und die beiden hier gegenüberliegenen Portale geschlossen (bis auf eine Fensteröffnung an der Süseite). Die Mauerwerksstörung geht mitten durch die rechteckigen Portalvorlagen. Es hat den Anschein, als ob das Kirchenschiff ursprünglich weiter nach Westen reichte und der Turm in noch romanischer Zeit nachträglich angebaut wurde. Darauf deuten auch die typisch romanische Baugliederung mittels Lisenen und Friese hin. Am Turm dient ein einfach gestuftes Eingangsportal in einer rechteckigen Wandvorlage als Hauptzugang, darüber befindet sich eine Nische. Diese war vielleicht zur Aufnahme einer Figur gedacht. Das Mauerwerk des Turmes ist von weit geringerer Qualität als beim übrigen Bau, die hier verwendeten Ziegel könnte man durchaus als zweite Wahl bezeichnen. Der Fachwerkaufsatz entstand erst 1782/1783. Ob der Backstein-Westquerturm früher höher war, lässt sich nicht sagen.
Wie auch schon auf der vorhergehenden Seite werden die Grundrisse (nach /1/) der drei hier vorgestellten Kirchen zum Vergleich angegeben.
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Literatur:
/1/ Rolf Naumann, Romanische Backsteinkirchen im Jerichower Land, Perleberg 1993
--------/1/ Rolf Naumann, Romanische Backsteinkirchen im Jerichower Land, Perleberg 1993
Von Großwulkow ist es nur ein Katzensprung nach Kleinwulkow, dort gibt es eine verkleinerte Variante der romanischen Backsteindorfkirchen. Also nichts wie hin!
Kleinwulkow und mehr