Romanische Backsteinbauten in Deutschland


Der Dom in Ratzeburg


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Ratzeburger Dom
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Löwe
Eindrucksvoll erhebt sich der Ratzeburger Dom mit seinem mächtigen Turm auf der Altstadtinsel des Ratzeburger Sees. Er ist eine Demonstration wiedererrungener Macht. Einst hatte sich hier wahrscheinlich das slawische Heiligtum der Fruchtbarkeitsgöttin Siwa befunden. Der Grundstein zu einem gewaltigen Dombau wurde gelegt, nachdem der sächsische Herzog Heinrich der Löwe das Bistum Ratzeburg 1154 (oder 1158?) neu eingerichtet hatte. Evermod, vorher Propst im Prämonstratenserklosters Jerichow, wurde zum ersten Bischof ernannt.
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Eine Kopie des bronzenen Braunschweiger Löwen aus dem 19. Jahrhundert (Er ist ein Geschenk des Herzogs von Braunschweig; die Errichtung wurde initiiert von Augusta Caroline Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz) erinnert an den Welfenherzog Heinrich und diese Zeit.

Im "Großen Wendenaufstand" 1066 hatte die Christianisierung der ansässigen slawischen Bevölkerung eine jähe Unterbrechung erfahren. Die Aufständischen stürmten das Kloster auf dem Ratzeburger Georgsberg, der Abt Ansverus wurde zusammen mit weiteren 18 Mönchen gesteinigt oder erschlagen. Das bereits 1062 gegründete Ratzeburger Bistum ging verloren. Die mehrheitlich "heidnische" Bevölkerung, Polaben und Abodriten, war auch in den folgenden Jahren nicht sonderlich davon angetan das Christentum anzunehmen, sich den christlichen Fürsten unterzuordnen und Steuern zu zahlen. Im Jahr 1093 kam es erneut zu einem Aufstand, diesmal wurden die Aufständischen in der Schlacht von Schmilau besiegt. Erst ab dem 12. Jahrhundert konnte sich das Christentum langsam weiter ausbreiten.

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Ab 1160 wuchs der Dombau sichtbar empor; wie üblich wurde mit den Arbeiten am Chor im Osten begonnen, wo sich die "drei Rundbogenfenster der Apsis dem Licht der aufgehenden Sonne öffnen" (1). Der Bau schritt zügig voran, mit der Errichtung der Südvorhalle war er bereits 1220 (oder 1225) fertiggestellt. An den Außenwänden begegnen uns mit den die Ecken betonenden Lisenen, mit den Kreuzbogen-, Winkel- und Sägezahnfriesen (Deutsches Band) wieder die typischen Schmuckformen der romanischen Zeit.


Ratzeburger Dom
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Man betritt den eigentlichen Dom heute vom Kreuzgang durch das (enge) Nordportal. Der Ratzeburger Dom ist eine dreischiffige Basilika mit Querhaus, d. h. er besteht aus dem erhöhten Mittelschiff und zwei seitlich parallel dazu angeordneten Seitenschiffen. Querhaus und Langhaus bilden im Grundriss die Form eines Kreuzes. Das Quadrat der Vierung, d. i. die Stelle, wo sich Langhaus und Querhaus durchdringen, stellt den zentralen Ort des Bauwerks dar und gibt die Maße in diesem sogenannten gebundenen System vor. Der Chor besteht aus einem solchen "Quadrat", das Querhaus aus drei. Nach Westen schließen sich drei "Quadrate" (quadratische Joche) mit Wand tragenden Zwischenpfeilern an. Diese sechs Arkaden bilden das Mittelschiff.

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An den Hauptpfeilern des Mittelschiffs tragen Wandvorlagen die mächtigen Gurtbögen, die sich oben über die Breite des Schiffes spannen. Die Abmessungen der Seitenschiffe (Breite und Jochweite) werden ebenfalls aus dem Vierungsquadrat hergeleitet und betragen exakt jeweils die Hälfte.

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Das Domkapitel bestand überwiegend aus Prämonstratenser-Chorherren. Für diese Domherren wurden die Klausurgebäude (Kreuzgang, Refektorium, Kapitelhaus usw.) nördlich vom Dom im Wesentlichen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert errichtet. 1504 legten die Domherren die Prämonstratensertracht wieder ab. Fünfzig Jahre später konvertierte der Bischof zum protestantischen Glauben und verkaufte das Bistum an den Herzog von Mecklenburg. Nach dem 30-jährigen Krieg (1648) erfolgte die Säkularisierung und das Fürstentum Ratzeburg kam zu Mecklenburg. 2012 wurde im Ratzeburger Dom die vereinigte Nordkirche gegründet, ein Zusammenschluss aus der Nordelbischen Kirche in Hamburg und Schleswig-Holstein mit der Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Kirche.

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Im Kreuzgang, oben links: Barlachfigur (Bettler) am Nordflügel, unten: Konsolen im Kreuzgang


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Im Dom sollte man sich genügend Zeit nehmen, um die romanische Architektur auf sich wirken zu lassen. Dasselbe gilt natürlich ebenso für die Ausstattungsstücke, wie die noch vorhandenen Grabplatten, die Andachtsbilder oder zum Beispiel die Reliefs der Kanzel im Stil der norddeutschen Renaissance. Das älteste Bildwerk im Dom ist das spätromanische Triumphkreuz vor der Vierung. Es stammt etwa aus der Zeit um 1260. Die Blätter und Blüten am Kreuz symbolisieren das Leben, zu Füßen von Christus stehen Maria und Johannis.

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Flügelaltar
Dem Altar im Chorbereich (vor der Apsis) kann man seine wechselvolle Geschichte ansehen: Etliche Figuren gingen verlustig, anderes wurde zusammengestellt. Das Mittelstück enthält eine Passionstafel aus der Zeit um 1420. Die barocke Christusfigur ("Salvator mundi" - Welterlöser) darüber wird auf 1634 datiert, die gotischen Apostel und Heiligenfiguren in den Seitenflügeln stammen aus dem 15. Jahrhundert.

Flügelaltar im Chorbereich
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Nördl. Querhaus
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Epitaph für Herzog August
Das barocke Epitaph für Herzog August von Sachsen-Lauenburg im nördlichen Querhaus (1649) wurde von dem Ratzeburger Bildhauer Gebhard Jürgen Titge (um 1590-1663) geschaffen. Von ihm stammt auch der ehemalige barocke Hauptaltar im südlichen Querhaus (1629). Titge verarbeitete verschiedene bildhauerische Anregungen und lässt in seinem Werk bereits den sogenannten "Knorpelstil" anklingen.

Barocker Hauptaltar, Details
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Die Westwand des Domes (d. i. die Turminnenwand) wird von der großen Rieger-Orgel eingenommen. Sie wurde 1978 aufgestellt. Davor, im letzten Joch des Langhauses, hängt ein Kronleuchter aus dem Jahr 1674 vom Gewölbe herab. Der Leuchter besteht aus Messing, er wird von einem (doppelten) Kruzifix bekrönt.

Mit der Errichtung der Südvorhalle um 1220/1225 kam der Bau des Ratzeburger Domes im Wesentlichen zum Abschluss. Später wurde nur noch die Lauenburger Kapelle 1380 in gotischen Formen angebaut. Damit gehört der Ratzeburger Dom mit zu den ältesten Backsteinbauwerken in Norddeutschland. Er ist darüber hinaus in seiner Klarheit und Monumentalität auch einer der eindruckvollsten und bedeutendsten romanischen Dome Deutschlands.

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Literatur und Link:
1) Ratzeburger Dom, Faltblatt, Herausgeber: Ev.-Luth. Domkirchengemeinde zu Ratzeburg, Verein der Freunde des Ratzeburger Doms, ohne Jahresangabe

Externes youtube-Video: Dompropst Gert-Axel Reuß erzählt über den Ratzeburger Dom und das Erbe der Prämonstratenser. (ca. 3 Minuten) =>  https://youtu.be/3zZHCILBCMg


Die Ausflüge zu Backsteinbauwerken werden fortgesetzt.
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nach Mecklenburg, Kloster Rehna