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Exkurse zur Architektur: Innenräume barocker Kirchen
Regensburg: St. Emmeram
Kann man die ehemalige Benediktiner- und Reichsabtei- und heutige Stadtpfarrkirche St. Emmeram in Regensburg zu den barocken Kirchen zählen? Von außen wohl eher nicht, doch dank der Umgestaltung des Innenraumes (1731 bis 1733) durch die Brüder Asam dann aber doch...
Gotische Portalwand (um 1250)
Beim Anblick der eher nüchternen Außenwände des Westquerschiffes und Westchores mag man kaum glauben, dass sich dahinter eines der ehrwürdigsten und bedeutendsten Kirchengebäude des süddeutschen Raumes befindet. Wir gehen schnell noch ein paar Schritte weiter und stehen auf dem Emmeramsplatz vor der gotischen Portalwand des ehemaligen Klosters. Durch den kleinen Hof gelangen wir zur Vorhalle, die um 1166 errichtet wurde.
Vorhalle
Ein Doppelportal gewährt Eingang in den Kirchenraum - rechts gelangen wir in das (abgetrennte) Westquerhaus, links in die dreischiffige Basilika. An dem Doppelportal befinden sich drei bemerkenswerte Skulpturen: In der Mitte sehen wir Christus Salvator, links den hl. Emmeram und rechts den hl. Dionysius (ohne Abbildunge). Mit ihrer Datierung auf 1052 sind sie die ältesten noch am urprünglichen Ort befindlichen Portalfiguren in Deutschland.
Kassettendecke im West-
querhaus
Blick vom Westquerhaus in
das Kirchenschiff
Das Westquerhaus geht in seiner Anlage auf die Mitte des 11. Jahrhunderts zurück. Es wurde mit dem Einbau der Orgelempore vom Hauptraum getrennt. Werfen wir schnell noch einen Blick auf die Kassettendecke von 1661, bevor wir an den eindrucksvollen Gittern vorbei in das Langhaus treten.
Im 18. Jahrhundert stiegen die Äbte von St. Emmeram in den Rang von Reichsfürsten auf. Das sollte sich auch in einer umfangreichen Bautätigkeit widerspiegeln. Die besten Meister der Zeit wurden engagiert: Michael Prunner aus Linz und die Brüder Asam (Egid Quirim und Cosmas Damian) aus München. Das Ergebnis ist überwältigend. Mittelschiff und Ostchor erhielten prunkvolle Stuckdekorationen und große Deckengemälde an dem umgestalteten Gewölbe.
Die bisherige Hauptapsis im Osten der dreischiffigen Basilika wurde abgebrochen, dahinter entstanden über der alten Ringkrypta neue Räume. Der davorliegende Raum wurde mit einer Mauer geschlossen, hier steht der monumentale, bereits 1669 von Bruder Wolf geschaffene und 1679 geweihte Hochaltar. Egid Quirim Asam hat den Altar später dann noch etwas aufgehübscht. Gehen wir etwas näher heran!
St. Emmeram, Hauptaltar
Ganz oben im Wolken- und goldenen Strahlenkranz thront die Himmelskönigin Maria, ihren zierlichen Fuß hat sie auf den Mond gesetzt. Auch die Uhr unter ihr ist mit Mond und Sternen versehen. Das Altarbild schuf Joachim von Sandrart 1666, es zeigt das schreckliche Martyrium des hl. Emmeram, von dem einige Reliquien in dem Schrein unterhalb der Mensa (dem Altartisch) aufbewahrt werden. Neben der prächtigen Uhr hängen vergoldete Stuckgirlanden herunter, kleine Engel schweben in ihnen. Sie tragen bzw. bringen Attribute der unten stehenden Apostelfürsten: rechts sehen wir die Figur des Paulus (mit einem Zitat aus dem Korintherbrief im aufgeschlagenen Buch), links steht die Figur des Petrus, der demonstrativ zwei große Schlüssel in der Hand hält. Petrus ist auch der Schutzpatron von Regensburg. Neben dem Altar befinden sich zwei ovale Bildnisse, rechts das Bild der Äbtissin Walburga von Eichstätt, links das Bild des Abtes Anselm von Canterbury.
Die Deckengemälde
Das Deckengemälde im Chor ist typisch für das Selbstverständnis der katholischen Kirche zur Zeit der Gegenreformation. Die Brüder Asam zeigen bei ihrer barocken Umgestaltung hier die weltweit erfolgreiche Mission des Benediktinerordens und den Ordensgründer Benedikt im göttlichen Licht: Von oben trifft das Licht der Dreifaltigkeit voll auf den hl. Benedikt, der von Engeln emporgetragen wird. Die Strahlen werden auf die Mission seines Ordens weitergeleitet. Wohlwollend betrachtet der Papst dessen Tätigkeit; die falschen Bücher werden verbrannt und Vertreter aller Weltgegenden wenden sich dankbar dem "richtigen" Glauben zu.
Die Stuckarbeiten und die perspektivischen Verkürzungen des Bildes sind meisterhaft ausgeführt.
Die Stuckarbeiten und die perspektivischen Verkürzungen des Bildes sind meisterhaft ausgeführt.
Auch das große Deckenfresko im Hauptschiff zeigt himmlische Strahlen: Sie brechen aus einer Wolke hervor, laufen wie durch eine optische Blende durch einen Märtyrerkranz und verbinden den Kirchenpatron St. Emmeram (mit Leiter) schließlich mit dem gleichnamigen Kloster. Darunter werden die legendären Regensburger Märtyrer auf dem sogenannten Marterberg dargestellt, wo das Kloster erbaut wurde. Auf der gegenüberliegenden Seite des Freskos stellt Papst Leo III. (795-816) die Urkunde für die Freistellung (Exemption) des Klosters aus. Karl der Große schaut (zumindest als Büste) dabei zu.
Kaiser Karl d. Gr.
Kaiser Heinrich II.
Papst Leo hatte Karl d. Gr. bekanntlich im Jahr 800 zum Kaiser gekrönt. Die Anfänge der Benediktinerabtei St. Emmeram reichen wahrscheinlich aber noch hundert Jahre weiter zurück.
An den Wänden des Hauptschiffes werden über den Arkaden Episoden und Wunder aus dem Leben des hl. Emmeram dargestellt. Die Bilder wechseln sich mit Figuren von bedeutenden Persönlichkeiten ab, darunter wiederum Kaiser Karl der Gr., Kaiser Heinrich II. sowie Äbte, Bischöfe und andere Personen, die mit der Abtei in Verbindung standen.
An den Wänden des Hauptschiffes werden über den Arkaden Episoden und Wunder aus dem Leben des hl. Emmeram dargestellt. Die Bilder wechseln sich mit Figuren von bedeutenden Persönlichkeiten ab, darunter wiederum Kaiser Karl der Gr., Kaiser Heinrich II. sowie Äbte, Bischöfe und andere Personen, die mit der Abtei in Verbindung standen.
Erstaunlich, wie vor tausend Jahren das politische und geistliche Leben in Bayern und im (damaligen) Sachsen (heute Sachsen-Anhalt) miteinander verbunden waren: Heinrich II. ist z. B. nach dem frühen Tod Otto III. der letzte Herrscher aus dem Geschlecht der Ottonen und Tagino (hier Tagminus genannt), ein Schüler des später heiliggesprochenen Wolfgang von Regensburg, war der dritte Erzbischof von Magdeburg...
V.l.n.r.: Tagino von Magdeburg, Wilhelm von Hirsau, Boso von Merseburg, Abt Ramwold in Regensburg |
Kanzel, Apostel- und Sakramentsaltar, Orgel
1732 wurde von den Brüdern Asam die Kanzel geschaffen. Zählen Sie einmal, wieviel kleine Engel allein hier zu finden sind! Zwei von ihnen halten auf dem Schalldeckel die mosaischen Gesetzestafeln, auf dem Aufsatz darüber liegt das Lamm auf dem mit sieben Siegeln verschlossenen Buch und darüber erhebt sich die eherne Schlange. Moses hatte sie aufgestellt, um sein Volk zu schützen. Wer seinen Blick fest darauf richtete, dem konnte nichts passieren.
Auch die beiden Altäre vor dem Chor stammen aus der Zeit der barocken Umgestaltung 1733. Es lohnt sich sehr, die phantasievollen Stuckarbeiten näher zu betrachten. Übermütig tollen die kleinen Engel herum und die großen scheinen wirklich zu fliegen...
Der ursprüngliche karolingische Raumeindruck mit seinem großen Westquerhaus wurde in der Barockzeit nachhaltig verändert. So trennte der Einbau der Orgelempore das Westquerhaus vom Kirchenschiff ab.
Wolfgangskrypta u. a.
St. Emmeram gehört zweifellos sowohl künstlerisch als auch historisch mit zu den bedeutendsten Kirchenbauten in Deutschland. Die Kirche verfügt über eine Vielzahl an kunsthistorisch wertvollen Ausstattungstücken wie Grabmälern, Altären, Reliquien, Bildern. Die barocke Umgestaltung von 1731-1733 verpasste dem ursprünglich ehrwürdigen und strengen Bau einen völlig anderen Charakter. Trotzdem kann man noch heute eine Ahnung vom alten Raumgefühl bekommen. Die 1052 von Papst Leo IX. geweihte fünfschiffige und nahezu unverändert überkommene Wolfgangskrypta mit ihren schönen romanischen Würfelkapitellen unter dem Westquerhaus ist dafür ein Beispiel.
Würdigung
Die Altstadt von Regensburg ist ein einzigartiges urbanes Ensemble mit vielen noch original erhaltenen Baudenkmälern. Die historischen Sehenswürdigkeiten beginnen mit Hinterlassenschaften der Römer und setzen sich mit den Wirkungsstätten mittelalterlicher Kaiser, Herzöge, Bischöfe und Kaufleute fort. St. Emmeram nimmt dabei einen hervorragenden Platz ein. (1,2)
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Quellen und Literatur:
1) Max Piendl, (Überarbeitung von Hans Schlemmer u. Hermann Reidel), St. Emmeram zu Regensburg, Schnell & Steiner, Regensburg 2007
2) Gerhard H. Waldherr, Regine Leipold, Regensburg im Mittelalter, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2023
1) Max Piendl, (Überarbeitung von Hans Schlemmer u. Hermann Reidel), St. Emmeram zu Regensburg, Schnell & Steiner, Regensburg 2007
2) Gerhard H. Waldherr, Regine Leipold, Regensburg im Mittelalter, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2023
Wird fortgesetzt...
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zu Mauern, Toren und Türmen