Beispiele der Renaissancearchitektur in Sachsen

Schloss Hartenfels in Torgau


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Schloss Hartenfels in Torgau
1485 teilten die wettinischen Fürsten Albrecht und Ernst ihr bisheriges gemeinsames Herrschaftsgebiet in zwei Teile auf, seitdem wird von einer albertinischen und einer ernestinischen Linie der Wettiner gesprochen. Der "Ernestiner" und Kurfürst Friedrich III. veranlasste den Bau einer neuen Residenz in Torgau, denn die bisherige Residenz, Schloss Albrechtsburg in Meißen, verblieb in der albertinischen Linie. Das prachtvolle neu errichtete Schloss Hartenfels in Torgau ist eines der herausragenden Beispiele für den Schlossbau der deutschen Renaissance.

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Schloss Hartenfels, Innenhof
1547 gingen Kurwürde und Schloss in die Hände der Albertiner über, diese bauten aber in der Folgezeit lieber ihre Residenz in Dresden aus. Schloss Hartenfels wurde Verwaltungssitz, später sogar teilweise Gefängnis. Heute ist das Schloss hervorragend restauriert, es ist Sitz des Landratsamtes Nordsachsen und als Schauplatz von 500 Jahren Geschichte ein Ort zahlreicher Austellungen und ein Museum.
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Schloss Hartenfels
Wie man am Schloss Hartenfels in Torgau exemplarisch die Architektur der deutschen Renaissance erleben kann, das wird von Hanns Bechstein sehr eindrucksvoll beschrieben (*). Seine Ausführungen sollen deshalb ungekürzt nachfolgend hier zitiert werden.
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(*) Hanns Bechstein: Reise in die Renaissance, Prisma-Verlag Zenner und Gürchott, Leipzig, 1965, 3. Auflage 1980, S. 117 ff.

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Eingang von der Stadtseite
Bechstein schreibt: "Das Geltungsbedürfnis der Fürsten und des Adels und ihre Anpassung an neuzeitliche Wohnbedürfnisse (hat) Bauten von hohem Reiz der Erscheinung erstehen lassen, zum geringen Teil als völlige Neubauten, meistens durch Umbau älterer Burgen, die nach dem Untergang des Rittertums und in der Zeit der modernen Feuerwaffen ihren Wert als Verteidigungsanlagen längst verloren hatten. Aus der Burg wurde das Schloss."

Schloss Hartenfels - Ansichten
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"Auf einem Porphyrfelsen über der Elbe gegründet, ist auch in Torgau aus der mittelalterlichen Burg in allmählichem Ausbau vom Ende des 15. bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts das Schloss Hartenfels geworden. Unwesentliche spätere Veränderungen, wie die barocken Hauben der beiden schlanken Türme am Eingang und in der Südecke und das schwere Eingangsportal sind für den zeitlichen Gesamteindruck ohne Belang."

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"Die Kunst der Gruppierung"
"Den letzten Weltkrieg hat der Hartenfels unzerstört überstanden. Umstrahlt ihn auch nicht Ruinenpoesie und romantischer Nimbus wie das Heidelberger Schloss, hat er auch nicht den baulichen Reichtum der alten Dresdner Residenz, so steht er ihnen an künstlerischem Rang und an Feinheit der Meißelarbeit keineswegs nach und bietet uns heute noch im Zusammenspiel seiner Teile, besonders aber in seinen architektonischen Einzelheiten ein überzeugendes und bewundernswertes Beispiel von der Kunst und vom Können jener Meister und Handwerker.
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Die Kunst der Gruppierung zeigt schon der Blick auf die Nordwestfront von der Eingangsbrücke her. Die deutschen Baumeister verstanden, ganz im Gegensatz zur italienischen Renaissance mit ihrer harmonischen Ausgewogenheit aller Teile, die unregelmäßigen und auch zufälligen Gliederungen und Überschneidungen von Dächern, Giebeln und Türmen zu malerischen Wirkungen zu benutzen. Die damit verbundene Neigung zur Asymmetrie ist typisch deutsch, sie wird uns auch in bürgerlichen Einzelbauten begegnen.
Beim Betreten des Schlosshofes wird der Blick über die Weite des Platzes hin von einem wundersamen Gebilde gefangengenommen: einem durchbrochenen Treppenturm auf hohem Altan vor der Mitte der Wand, bekrönt von einem kassettenartig gegliederten Giebel, der wirklich wie eine Krone der Kopfrundung des Turmes sich anschmiegt."

Der Große Wendelstein


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"Das schöne Maß- und Formverhältnis des blockartigen Sockels mit der betonten Brüstung und den Schrägen der Seitentreppen zu den feingliedrig aufstrebenden Senkrechten der zu flachen Pfeilern reduzierten Wände, die Schlankheit dieser Pfeiler selbst mit ihren Pilastervorlagen, die hohen, schmalen Öffnungen mit dem reinen Halbrund ihrer Bögen, und dann die lang durchlaufende Waagerechte der Galerie, die das Treppengehäuse so fest und zugehörig mit der Hausfront verbindet, das alles macht die Erscheinung dieses großen Wendelsteins zu einem unvergleichlichen architektonischen Erlebnis...

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...und zeigt, was ein Meister aus überkommenen Baugedanken und neuen Ornamentformen zu machen verstand, denn die Vertikale dieses Treppenturms steigt noch wie ein gotischer Chor hoch; vor Aufsetzen des dritten Stockwerkes auf den Gebäudetrakt im 18. Jahrhundert war dieser Eindruck noch viel beherrschender. Die spätgotischen Vorhangbögen der Fenster unter und über der Galerie sind im Schnitt schon "modernisiert", das Ornament aber, ein Flachrelief von zartester Anmut, das den Wendelstein außen und innen am Spindelkopf sowie alle Brüstungen wie ein kostbares Gewand überzieht, ist südlicher - wahrscheinlich lombardischer Herkunft wie das meiste, was damals an Schmuckmotiven über die Alpen kam."

Details am Wendelstein
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Die Ornamente, die Reliefs und vor allem die Wappen sind inzwischen hervorragend restauriert und auch farbig gestaltet. Neben den phantasievollen Wappen finden sich auch biblische Szenen, so z. B. die vom Löwenbezwinger Samson oder von David und Goliath.

Wappen und andere Details am Wendelstein
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Noch mehr Wappen und Details
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Bechstein weiter: "Einer der begabtesten und eifrigsten Förderer für die Einführung solcher Formen in Deutschland war der glänzende Dekorateur und Zeichner Peter Flötner, ein in Nürnberg ansässiger Schweizer. Ihm gehören möglicherweise auch die Entwürfe für die elegante Bauplastik am Hartenfels an, bis hin zu den ganz italienisch aussehenden Loggien am Turm in der Südecke.
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Älteres und Neues, Eigenes und Fremdes zu solch glücklicher Einheit zu binden und damit ein neues Ganzes zu schaffen, eben das, was wir heute deutsche Renaissance nennen, gelang dann dem großen Baumeister Konrad Krebs, der für jenen Johann Friedrich von Sachsen, der 1547 bei Mühlberg sein Kurfürstentum verlor, in den Jahren 1533-36 den Südostflügel des Schlosses mit dem Wendelstein baute. Auch die mit Säulen, Gesimsen und Reliefs meisterlich komponierten Runderker an den Außenecken des Flügels stammen von ihm. Ein Gedenkstein mit seiner Bildnisfigur steht östlich im Hof an der Wand seiner Schöpfung."

Erker, Giebel und Fenster am Kirchenflügel


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"Ein bedeutendes Zeugnis deutscher Renaissance ist auch der reich, doch mit zartem Relief geschmückte Erker von 1544 an der schlichten Wand des Kirchenflügels. Wunderbar leicht wächst er aus der kurzen, kräftigen, der Erde verbundenen Säule empor. In ihrem derben Ornament sind gleichsam schon die Keime alles dessen enthalten, was sich oben über der geschwungenen, so wohltuend glatten Kelchkonsole in zwei Stockwerken an Brüstung und Attika zwischen zierlichen Säulen und verkröpften Gesimsen mit feinsten Profilen an bilhauerischer Kunst entfaltet. Die zufällig scheinende, aber gesehene Asymmetrie der Rundbogentüren unten verleiht dann dem Prunkstück von Erker eine wohltuende Unverbindlichkeit."

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"Betrachten wir die Rankenornamente und figürlichen Reliefs seiner Flächen, die Säulen und Pilaster, die Kapitelle und Konsolen, so wird, wie schon am Wendelstein, unsere Bewunderung zuerst der aufs feinste durchgefühlten architektonischen Struktur gelten, dann aber denen, die das alles mit ihrem erstaunlichen handwerklichen Können, mit ihren Händen wirklich gemacht haben - den Bildhauern und Steinmetzen."
Textquelle (kursiv): Hanns Bechstein: Reise in die Renaissance, Prisma-Verlag Zenner und Gürchott, Leipzig, 1965, 3. Auflage 1980, S. 117 ff.

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Giebel, Fenster und Fassade

Schloss Hartenfels in Torgau ist architekturgeschichtlich eines der interessantesten und bedeutendsten Renaissance-Schlossanlagen in Deutschland. Bei der Verschmelzung der lokalen spätgotischen Elemente mit den neuen italienischen Formen entwickelten die Baumeister der deutschen Frührenaissance eigenständige neue Lösungen, die uns heutige neben Respekt und Bewunderung zur Erhaltung verpflichtet.
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zu vier Renaissanceschlössern in Sachsen: Lauenstein, Augustusburg, Zschopau und Glauchau