Ein Portal der Spätrenaissance in Magdeburg


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Das Portal der Heideckerei (um 1900?)
Foto: Vereinigte Bauverwalt. Magdeb., aus /4/
Ein Renaissanceportal in Magdeburg? Wo soll das denn sein? Nach der vollständigen Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg 1631 ist doch von den Bauten aus der Renaissancezeit nicht viel übrig geblieben. Danach wurde die Altstadt in barocken Formen wieder aufgebaut. Und dann 1945 abermals zerstört. Wo also findet sich in Magdeburg ein Renaissanceportal?

Und doch hat EIN solches Portal überlebt - es ist nur ziemlich versteckt heute. Und selbst von den Magdeburgern wissen nur wenige davon...

Wie auch in anderen Städten entstanden im 16. Jahrhundert in Magdeburg prächtige Häuser wohlhabender Bürger im  Renaissancestil. In Magdeburg standen diese Häuser meist auf dem Alten Markt oder am Breiten Weg. Später wurden die aufwändigen Schaugiebel und Fassaden oft barockisiert oder gleich ganz erneuert, so dass im 18. und bis ins 19. Jahrhundert der Breite Weg in Magdeburg als eine der schönsten und prächtigsten Barockstraßen Deutschlands galt. Einige Häuser hatten dabei auch eine Weile Teile ihrer alten (Renaissance-) Bauzier bewahrt. Heute ist von der alten Pracht (fast) gar nichts übrig geblieben - doch es gibt neue und nicht minder prächtige Bauten hier auf dem Breiten Weg, z. B. das Hundertwasserhaus!

Das Portal der Heideckerei in Magdeburg

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Heideckerei, Foto: E. v. Flottwell, Magdeburg 1889
In die Zeit der Spätrenaissance aber gehörte die 1593 errichtete "Heideckerei" (oder Heydeckerei), die vom Festungsbaumeister Hans von Heydeck /1/ erbaut wurde. (Der Freiherr Baron Hans von Heydeck hatte sich bei der Befestigung der Stadt und bei ihrer Verteidigung 1550/51 Verdienste erworben, nach ihm wurde das mächtige Bollwerk an der Südwestecke der Stadtbefestigung - "der Heydeck" - benannt. Bei der Heideckerei gehen die Meinungen auseinander, ob sie tatsächlich auf ihn zurückgeht /5/.)

Mrusek bewertet die Heideckerei am Breiten Weg wie folgt /2/: (Sie) "verkörpert das für die Stadt typische Traufenhaus mit dem fassadenbeherschenden Staffelgiebel; außerdem die Vorliebe für eine flächige Behandlung des Äußeren. Die Fassade wird horizontal und durch paarweise zusammengenommene Fenster gegliedert, die Mittelachse vom Portal und von übereinanderstehenden Ladeluken betont."

Am Portal befanden sich seitlich zwei Halbfiguren (Krieger in römischer Rüstung), in den Bogenzwickeln waren zwei (Landsknechts-?) Köpfe angebracht. Verwiesen diese kriegerischen Zutaten etwa auf den Festungsbaumeister Heydeck?

Doch lesen wir, was Günther Deneke /3/ zur baukünstlerischen Gestaltung schreibt:

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Figur am Portal
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Figur am Portal
(Die Heydeckerei) "lag in der Altstadt am Breitenweg, der Einmündung des Alten Marktes gegenüber. (...) Wir werden es uns als ein hohes und überreich mit Fassadenschmuck geziertes Giebelhaus zu denken haben, etwa nach Art der Patrizierhäuser in Braunschweig, Münster, Hameln, Bremen u.s.f. Heute ist von aller seiner Herrlichkeit nur noch das große Portal erhalten, in eine Gartenwand des Kaiser Friedrich-Museums eingemauert. Und auch von diesem Portal geht nur ein Teil auf jenen ersten Bau zurück: Teile der Seitenpfosten, der große flache Rundbogen, die Zwickel mit den vorragenden Kriegerköpfen und der Türsturz mit der Inschrift: "15. In utraq. fortuna ipsius fortunae memor esto 93." Alles, was darüber als Aufsatz sich erhebt, entstand zu den Zeiten der mehrfachen Neu- und Umbauten, die in die Jahre etwa 1650-60, 1782, 1842, 1859 fielen; 1904 wurde das Haus abgerissen.

Portal der Heideckerei in der "Megedeborch"
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Der unbekannte Meister der Fassade hat an diesem Portal sicherlich sein bestes Können gesetzt, wenigstens hat er deutlich bewiesen, dass er alle Schmuckmotive seines eklektischen Zeitstils beherrschte: an den untersten Quadern der Pfosten die Masken (links eine einfache, rechts ein Januskopf), darüber auf blattwerkverzierten Konsolen, die als Karyatiden gedachten Rümpfe zweier Krieger - martialische, behelmte Köpfe, wunderlich anmutend über den arm- und beinlosen Panzern!
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Portal der Heideckerei
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Die Quadern des Bogens sind wieder abwechselnd mit Masken und Rollwerkskartuschen besetzt, während den Schlussstein ein dickes Obstbündel bedeckt; die Zwickel überkriecht flachstes Beschlagwerk; darüber als Zwischenglied zwischen Füllung und Türsturz eine Reihe kleiner Konsolen mit zierlichen Languettengehängen, wie Kapup (ein in Magdeburg wirkender bedeutender Bildhauer - hb) sie liebte; der Türsturz ein Triglyphenfries, dessen Metope die Worte der Inschrift bergen. Alles in allem eine Musterkarte der eklektischen Hochrenaissance-Ornamentik. Die Frage nach der Herkunft des Schöpfers dieses Prachtportales ist bei dem geringen Umfange des Erhaltenen kaum zu beantworten, zumal die zahlreichen Reinigungs- und Restaurierungsarbeiten die Ursprünglichkeit in jeder Weise stark beeinträchtigt haben dürften. (...)

Details am Portal der Heideckerei, Magdeburg
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Der Anlagetypus für das Heydeckereiportal hatte sein Vorbild in der heimischen Architektur, die Anregungen für die Detailformen der Ornamente möchte ich (Deneke) am ehesten im Nordwesten, in Lübeck, Bremen, im Unterweselgebiet suchen, kurz da, wo niederländische Einflüsse stark hervortreten. Zwar kommen die hervorragenden Köpfe, das Rollwerk und die antikisierenden Friese genau so in Halle, Halberstadt, Hildesheim vor, das sehr flache Beschlagwerk weist jedoch fast immer in die angegebene Richtung. (...)" /3/

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Und wo befindet sich nun in Magdeburg das Portal der Heideckerei? Sie haben es längst bemerkt - Im Innenhof des Kulturhistorischen Museums. Im Sommer kann man hier in die mittelalterliche "Megedeborch" eintauchen. Und wie man sieht, dient in der Megedeborch das alte Portal als Hintergrundkulisse für den Gerichtstag.
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zu den Renaissanceportalen in Braunschweig

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Quellen und Literatur:
/1/ Helmut Asmus, 1200 Jahre Magdeburg, Bd. 1, die Jahre 805-1631, Scriptum Verlag Magdeburg, 2000
/2/ Hans-Joachim Mrusek, Magdeburg, VEB E. A. Seemann Verlag, Leipzig, 2. Auflage 1966
/3/ Günther Deneke, Magdeburgische Bildhauer der Hochrenaissance und des Barock, Halle a. S. 1911, (Diss.)
/4/ Erich Wolfrom, Die Baugeschichte der Stadt und Festung Magdeburg, 1936
/5/ Guido Skirlo, Der Breite Weg - ein verlorenes Stadtbild. Stadtplanungsamt Magdeburg, Publikation Nr. 69, 2005