Romanische Portale und Kapitelle in Sachsen-Anhalt


Portal und Kapitelle der Stiftskirche St. Cyriakus in Frose (Sachsen-Anhalt)


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Stiftskirche Frose
Die Stiftskirche in Frose ist eine der Stationen der im Bundesland Sachsen-Anhalt verlaufenden "Straße der Romanik". Egal aus welcher Richtung man sich dem am nordöstlichen Harzrand gelegenen kleinen Ort Frose nähert, stets beindruckt der plötzlich auftauchende Westturmriegel der Stiftskirche S. Cyriakus den Ankömmling und man ahnt, dass es sich um ein ehrwürdiges Bauwerk aus ältester Zeit handeln muss... Und das ist in der Tat der Fall: Frose ist eine der ältesten Kultstätten der Region.

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So könnte es gewesen sein: Ursprünglich befand sich hier eine germanische Kultstätte, vielleicht ein Thingplatz. Mit den kriegerischen "Sachsenzügen" Karls des Großen verbreitete sich das Christentum, missioniert wurde mit dem Schwert. Die Sachsen hatten immerhin die Wahl: Taufe oder Kopf ab. Alte Kultstätten wurden zerstört, aber oft entstanden gerade hier die neuen Heiligtümer. Auf dem alten Thingplatz in Frose errichtete man nun einen christlichen Altar für den hl. Stephanus, bestimmt wurde auch eine Kapelle gebaut. Das Reich Karls des Großen hatte jedoch nicht lange Bestand, es wurde geteilt und neuer Herrscher in Ostfranken wurde König Ludwig (der Deutsche). Ludwig betrachtete die Stephanuskirche als "Eigenkirche" (*) , wandelte diese in ein Stift um und ließ einen neuen Altar aufstellen, der dem hl. Cyriakus geweiht war.
  
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(*) Eigenkirche: Sozusagen eine Kirche auf eigenem Grund und Boden (Krongut), der Grundherr (König Ludwig) stattet die Kirche aus, kümmert sich um den Erhalt. Ihm gehören auch die Abgaben und Einkünfte. Diese Kirchenform existierte parallel zur römisch-katholischen Kirchenorganisation mit Papst, Bischof und Pfarrer.
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Im Jahr 936 wird das Stift zu Frose erstmalig schriftlich erwähnt, 950 übertrug Otto I. das Stift mit allen Rechten dem Markgrafen Gero. Gero hatte große Pläne, doch als seine beiden Söhne vor ihm starben und er erkennen musste, dass sein Geschlecht nicht fortbesteht, wandelte er 961 das Stift Frose in ein Damenstift um und unterstellte es dem von ihm neu gegründeten Stift Gernrode, ebenfalls eine Damenstift. Die adligen Damen sollten wohl für sein Seelenheil beten.
Um 1170 erfolgten umfangreiche Baumaßnahmen, der Westturmriegel und der heutige romanische Raumeindruck sind damals entstanden. Die Baumaßnahmen zogen sich bis zum 13. Jahrhundert hin, der Chor wurde umgestaltet, die Türme bekamen ihre "Hüte".

Stiftskirche St. Cyriakus, Frose (Sachsen-Anhalt)
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Im 15. Jahrhundert war die Blütezeit des Stifts vorbei. Dazu kam die Idee des Halberstädter Bischofs Burchard, den längst ausgetrockneten See wieder aufzufüllen (Burchard aß gern Fisch ;-)), und er beschwörte damit einen langen Rechtsstreit mit dem Kloster herauf. Die Ackerflächen des Klosters wurden durch das viele Wasser unbrauchbar, schließlich verzichten die Stiftsdamen auf ihre Rechte an den überschwemmten Gebieten, das Kloster befand sich bereits in Auflösung. 1511 verließen dann auch die letzten zwei Stiftsdamen resigniert das Kloster.
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Für eine kurze Zeit (1516-1517) wirkte Thomas Müntzer hier als Probst. Neben dem Nordportal befindet sich eine Gedenktafel für Müntzer. Nach der Reformation wurde die Stiftskirche 1544 zur Gemeinde- bzw. Dorfkirche umgebaut, dabei wurde die Krypta entfernt, der Boden im Chorbereich mit Erde aufgefüllt. Auch später wurde immer wieder verändert: die Fenster wurden vergrößert, Emporen eingebaut und wieder ausgebaut, die Seitenschiffe neu errichtet. Die Sanierungsarbeiten der letzten Jahre führten dabei auch zu neuen Forschungsergebnissen hinsichtlich der baulichen Entwicklung der Stiftskirche. Vor kurzem ist der Vorplatz (mit Fördermitteln für die Entwicklung des ländlichen Raumes) neu gestaltet worden.

Betreten (und besichtigen) kann man die Stiftskirche durch das Stufenportal an der Nordseite. Die Darstellung der Hirsche im Tympanon nimmt Bezug auf den Psalm 42.

Nordportal der Stiftskirche St. Cyriakus, Frose (Sachsen-Anhalt)
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Treten wir ein...

Im Innern der Stiftskirche


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Inneres nach Osten
Das Innere der Kirche stellt sich als eine flachgedeckte dreischiffige Bailika dar, mit dem typischen sächsischen Stützenwechsel, bei dem auf zwei Säulen ein Pfeiler folgt. Die gedrungenen Säulenschäfte bestehen aus einem Stück, sie setzen auf hohen attischen Basen auf und tragen (in der Mehrzahl) geradezu klassisch anmutende Würfelkapitelle. Die Seiten der Kapitelle sind unterschiedlich dekoriert, von den einfachen Halbkreisbögen, Bögen mit eingerollten Schnecken bis hin zu palmettenartigen Verzierungen.

Im Innern der Stiftskirche St. Cyriakus, Frose (Sachsen-Anhalt)
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Das erste und vierte Kapitell der Nordseite sind aufwändig mit Akanthusblättern in Würfel bzw. Kelchblock ähnlicher Form gestaltet. Es ist durchaus möglich, dass die Kapitelle und Säulen der Kirche farbig waren.

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Farbig gestaltet waren offenbar die Arkaden und Säulen der Westempore. Ein Rekonstruktionsversuch nach alten Farbresten hat diese Möglichkeit für kurze Zeit anschaulichg gemacht. Die Westempore ("Nonnenloge") kam erst nach dem Abbau der alten Orgelempore 2007 zum Vorschein.

Die freigelegte Westempore
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Wieder draußen, kann man die Geschichte der Stiftskirche zu Frose noch einmal in Ruhe nachlesen. Die Informationstafel zur Straße der Romanik am westlichen Aufgang zur Stiftskirche klärt darüber auf:

Informationstafel: Stiftskirche St. Cyriakus, FroseBild "Frose_Tafel.jpg"
Informationstafel in Frose
nach 843 Unter Ludwig dem Deutschen Umgestaltung der Stephanuskirche
in ihrer heutigen Grundform sowie die erste urkundliche Benen-
nung des Cyriakusaltars. Als Basis hierfür erscheint der Vertrag
von Verdun. Diesen Sachverhalt dokumentiert ein Schriftstück des
vatikanischen Archivs Rom.
um 850 Loslösung vom Bistum Halberstadt und Umwandlung in eine Eigen-
kirche Ludwig des Deutschen. Der Stephanusaltar bleibt Pfarraltar!
Zur Erinnerung an das heidnische Heiligtum wurde in die Nordwand
des Turmsein auffälliger Stein montiert. Etwa zur gleichen Zeit wird
für das Dorf Frose eine eigene Kirche mit dem Patronat des Hl. Se-
bastian errichtet (heute wüst).
936 Erste schriftliche Benennung des Stiftes Frose in einer Quedlinbur-
ger Urkunde unter Otto I.
950 Otto I. und sein Bruder Bruno, Erzbischof von Köln, unterstellen dem
Markgrafen Gero die Kanoniker des Stiftes des hl. Cyriakus in Frose
und überschreiben diesem Stift zusätzlichen Landbesitz, materielle
Ausstattungen sowie zwei leibeigene Frauen.
961 Umwandlung in ein Damenstift und Unterstellung der neu gegründe-
ten Abtei in Gernrode sowie die Dokumentierung des Königschutzes.
Einweihung derAltäre der hl. Jungfrau Maria und des hl. Petrus. Für
das Jahr 963 ist der direkte Schutz durch den Papst dokumentiert.
Mitte 12. Jh.  Größere Umbauten im Stiftsbezirk vor allem im Turm. Im 13. Jh. er-
folgen das Aufsetzen der zwei Hüte auf dem Turm und Umbauten im
Chorbereich.
1511 Die zwei letzten Stiftsdamen verlassen Frose.
Anf. 18. Jh.Umbau der Kirche (Einbau der Empore, der Orgel, die Vergrößerung
der Fenster, einem Hochaltar sowie Glocken.)
1890-1902 Bauliche Anpassungen an die gesellschaftlichen Erfordernisse u. a.
durch den Neuaufbau der Seitenschiffe, dem Einbau eines Chorfen-
sters, der Neugestaltung des Altares, des Taufbeckens, der Hoch-
und Normalkanzel sowie der Bestuhlung. 1936 erfolgt eine maler-
mäßige Instandsetzung zur 1000-Jahr-Feier nach Otto I.
nach 1970 Neudeckung der Türme
1985 Malermäßige Teilinstandsetzung
1989 Malermäßige Teilinstandsetzung und Einweihung der Gedenktafel
zum 500sten Geburtstag von Thomas Müntzer.
1991-1998  Umfangreiche Sanierungsarbeiten
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Ergänzung (hb): 2007 Abbau der Orgel



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Gernrode