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Fassaden, Portale und Kapitelle im Poitou - Drei romanische Kirchen in Melle (Frankreich) -Teil 3
Es ist zweifellos den Silbervorkommen und der Lage am Pilgerweg mit zu verdanken, dass der kleine Ort Melle so bedeutend war, dass er gleich drei sehenswerte romanische Kirchen aufweist. Hier jetzt der Höhepunkt:
Portale, Konsolen und Kapitelle der Kirche St-Hilaire in Melle
St-Hilaire, Melle
Unter den romanischen Bauten im Poitou stellt die Kirche St-Hilaire zweifellos einen Höhepunkt dar. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und hat weitgehend ohne größere Zerstörungen die Zeiten überstanden. Im 19. Jahrhundert wurde sie gründlich restauriert. St-Hilaire bildete eine wichtige Station auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela und ist seit 1998 eingebunden in das UNESCO-Weltkulturerbe "Jakobsweg in Frankreich".
Westfassade und Portal
St-Hilaire, Ostpartie
St-Hilaire, Westfassade
St-Hilaire ist ein Musterbeispiel für die klassische horizontale und vertikale dreiteilige Gliederung der Westfassade in der Region Poitou: Der untere Bereich enthält das Hauptportal mit den zwei kleineren Scheinportalen an den Seiten, der mittlere Bereich enthält drei Fenster, wobei das zentrale Fenster größer als die beiden Seitenfenster sind, und im oberen Bereich schließt die Fassade mit einem (hier schmucklosen) Giebelfeld ab.
Die Portale sind "von überraschender Nüchternheit" (Th. Droste) und typischerweise ohne Tympanon, sie werden mit leicht spitzbogigen und undekorierten Bögen überfangen. Dafür sind die drei Fenster des mittleren Bereichs durch die eingestellten Säulen mit ihren Kapitellen und phantasievollen Archivolten außerordentlich aufwändig gestaltet.
Die Portale sind "von überraschender Nüchternheit" (Th. Droste) und typischerweise ohne Tympanon, sie werden mit leicht spitzbogigen und undekorierten Bögen überfangen. Dafür sind die drei Fenster des mittleren Bereichs durch die eingestellten Säulen mit ihren Kapitellen und phantasievollen Archivolten außerordentlich aufwändig gestaltet.
Zwei Gesimse trennen die Bereiche horizontal, an ihnen befinden sich Konsolen mit figürlichen und ornamentalen Darstellungen.
Nordseite mit Portal und Reiterfigur
St-Hilaire, Nordseite mit Portal
Durch die Lage an einem kleinen Wasserlauf scheint das ganze Gebäude eingetieft zu sein, so muss man auch zum Nordportal einige Stufen hinabsteigen. Die Nordseite ist als Schauseite ausgebildet, sie begrüßte die Pilger auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela. Die gesamte Seite ist von einem Sockel an durchgehend bis zum Gesims mit Diensten versehen, die Fenster werden von Säulen mit Kapitellen und Bögen gerahmt. Die Konsolen des Dachgesimses sind ebenfalls bildhauerisch gestaltet.
Den Eingang in das Kirchenschiff überspannen drei mächtige Bögen, auf jeder Seite des Portals sind drei Säulen eingestellt.
Die innere (erneurte) Archivolte zeigt Blattornamente, auf den anderen beiden werden neben Tieren (Tierkreiszeichen?) die bäuerliche Tätigkeiten (Monatsarbeiten) sowie (außen) Tugenden und Laster dargestellt.
Die innere (erneurte) Archivolte zeigt Blattornamente, auf den anderen beiden werden neben Tieren (Tierkreiszeichen?) die bäuerliche Tätigkeiten (Monatsarbeiten) sowie (außen) Tugenden und Laster dargestellt.
Über dem Portal befindet sich in einer schön dekorierten Nische eine Reiterstatue, von der man nicht mehr genau weiß, wen sie darstellen soll. Der heilige Martin scheidet jedenfalls aus, hier wird kein Mantel zerteilt und kein Bettler beglückt. Der Reiter scheint viel eher über eine kleine Figur am Boden hinwegzureiten. Der Volksglaube sieht im Reiter gern den Abenteurer, Kreuzritter und zeitweiligen König von Jerusalem Guy de Lusignan, es könnte sich aber auch um Kaiser Konstantin (*) handeln... Die Reiterfigur ist im 19.Jahrhundert stark restauriert worden, Haltung und Gesichtsaudruck sind untypisch für die Romanik.
(*) Für den Kaiser Konstantin spricht, dass die einzige im Mittelalter stehen gebliebene antike Reiterstatue (des Marc Aurel auf dem Kapitol in Rom) irrtümlich für Konstantin gehalten wurde. So wurde Konstantin, das "Urbild" eines christlichen Herrschers, Vorlage verschiedener Reiterbildnisse.
Treten wir ein...
Man muss ein paar Stufen hinabsteigen, doch dann öffnet sich die dreischiffige spitztonnengewölbte Halle in großartiger Weise.
Kapitelle im Innenraum von St-Hilaire
Kapitell im Innenraum
Und die Phantasie der romanischen Bildhauer ist bewundernswert: an den Kapitellen finden wir neben pflanzlichen und geometrischen Mustern die Darstellungen verschiedener Tiere, von Löwen, von Zentauren und anderen Fabelwesen. Berühmt ist das "Sauhatz"-Kapitell: Sehr realistisch wird von der Wildschweinjagd mit Hunden und Sauspieß erzählt. Folgt man der Angabe auf der Informationstafel (siehe unten) im Innenraum, dann gibt es (innen und außen) in St-Hilaire die höchst bemerkenswerte Anzahl von 281 gestalteten Kapitellen!
Das Südportal
Südportal im Innenraum
Etwas Besonderes stellt das Südportal dar, denn ist ist selten, dass ein nach außen führendes Portal auf der Innenseite geschmückt wird: Christus (mit Kreuznimbus) im Scheitel des Bogens wird von 30 Personen begleitet. Davon tragen 29 ebenfalls einen Heiligenschein, nur einer (rechts neben Christus) nicht. Doch der hält dafür einen Bischofsstab in der Hand, es könnte sich um Petrus handeln.
Der Chorraum
Blick vom Chor ins Langhaus nach W
Werfen wir noch einen Blick in den modern gestalteten Chorraum. Der französische Künstlere Mathieu Lehanneur 2011 schuf eine bewegte "Landschaft", die in der romanisch klassischen Hallenkirche mit Querhaus, Chorumgang und Radialkapellen einen ungewöhnlichen Akzent setzt. Vom Chorumgang eröffnet sich auch ein phantastischer Blick nach Westen in das Langhaus.
Im Innern der Kirche informiert eine Tafel den Besucher über Baugeschichte und Besonderheiten von St-Hilaire:
Der (französische) Text sei dem interessierten Leser nicht vorenthalten:
Chorpartie und Konsolen
Zum Abschluss sollte sich man noch einmal den Blick auf die reizvolle Chorpartie gönnen. Durch die Lage der Kirche in der Senke des kleinen Flüsschen Béronne kommt die Staffelung der Architekturteile bei der Ansicht von der erhöhten Straße besonders gut zur Geltung:
Konsolen im Chorbereich
Und eigentlich unnötig zu erwähnen: Alle Konsolen der Dachgesimse der Apsiden von Chor und Querhaus sind bildhauerisch geschmückt!
nach Parthenay und Parthenay-le-Vieux