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Renaissanceportale in Mitteldeutschland - Teil 2: Bürger- und Rathäuser in Chemnitz, Dippoldiswalde und Meißen
Das Judith-Lucretia-Portal am Rathaus zu Chemnitz
Altes Rathaus Chemnitz
Das alte Rathaus in Chemnitz präsentiert sich heute in schöner Stilreinheit und ist doch Ergebnis einer über fünfhundertjährigen Bautätigkeit. Mehrfach durch Brände zerstört oder beschädigt, wurde immer wieder gebaut und verändert. Am 5. März 1945 fiel das Alte Rathaus schließlich den Bomben des zweiten Weltkrieges zum Opfer. Der Wiederaufbau erfolgte im wesentlichen bis 1950: Dabei wurde außerordentlich geschickt vorgegangen, so dass der heute Bau wie ein originales Renaissancegebäude wirkt und die sensibel vorgenommenen Veränderungen (wie zum Beispiel die Erhöhung um ein Stockwerk) sich hervorragend einpassen. Schließlich wurde 1986 mit dem Aufsetzen der Haube auf den Hohen Turm das Ensemble vollendet.
An der Marktplatzseite befindet sich der "Seigerturm" (Uhrenturm) mit dem "Judith-Lucretia-Portal".
An der Marktplatzseite befindet sich der "Seigerturm" (Uhrenturm) mit dem "Judith-Lucretia-Portal".
Judith-Lucretia-Portal, Chemnitz
Drei Engel halten im Bogenscheitel ein Wappenschild mit der Entstehungszeit 1559. Das Portal gehörte usprünglich zum Bürgerhaus eines Chemnitzer Tuchhändlers, das sich am Markt gegenüber des Rathauses befand. 1908 kam das Portal in den Besitz der Stadt und wurde 1910 an der Westseite des Seigerturmes angebracht. Beim Wiederaufbau des Rathauses nach 1945 bekam es dann endgültig den ihm zustehenden repräsentativen Platz an der Vorderseite.
Die zwei Frauenfiguren über den Sitznischen gaben dem Portal seinen Namen. Es handelt sich um altestamentliche Gestalten, deren Taten allegorisch für Mut sowie Treue bzw. Keuschheit stehen: links Judith und rechts Lucretia.
Die zwei Frauenfiguren über den Sitznischen gaben dem Portal seinen Namen. Es handelt sich um altestamentliche Gestalten, deren Taten allegorisch für Mut sowie Treue bzw. Keuschheit stehen: links Judith und rechts Lucretia.
Judith
Lucretia
Judith: Der assyrische Feldherr Holofernes belagerte gerade mit seinem Heer die Stadt, als sich die schöne (und reiche) Frau zu ihm ins Lager schlich, Wein mitbrachte, mit den Augen klimperte, dem Manne eine Liebesnacht versprach und ihm so buchstäblich den Kopf verdrehte ... Denn wie kam es? Erst machte sie den Kerl betrunken und dann säbelte sie ihm in aller Ruhe die Rübe ab ... Immerhin wurde die Stadt so gerettet, denn als die Männer des Holofernes ihren kopflosen Feldherrn am nächsten Morgen fanden, ergriffen sie die Flucht... Judith mit dem Kopf des Holofernes ist ein außerodentlich beliebtes Motiv der künstlerischen Darstellung und steht für Abwendung von großer Not, Mut und Errettung aber auch für Ohnmacht, Weiberlist und Begierde.
Sitznische
Und Lucretia? Sie war eine Römerin in mythischer Vorzeit und für ihre Schönheit und (noch mehr) für ihre Tugend berühmt. Half aber nix - einer der (tyrannischen) Kumpane ihres Mannes schlich sich zu ihr und vergewaltigte sie, worauf sie sich mit spitzem Dolch erstach ... Doch vorher hatte sie die schändliche Tat noch ihrem Manne und ihrem Vater erzählt, worauf in der Folge ein Aufstand ausbrach und die Römer die Tyrannenherrschaft beseitigten ... Schändung und Selbstmord der Lucretia gehören zum Gründungsmythos der Römischen Republik und sind ebenfalls ein beliebtes Motiv künstlerischer Darstellung.
Der Portalbogen wird durch kannelierte Säulen gerahmt, aus den Zwickeln schauen Neid- oder Gaffköpfe heraus. Die Ornamente des Medaillons im Dreieckgiebel sind verloren gegangen, die beiden Vasen hingegen eine Ergänzung aus dem Jahr 1955. Das Portal gehört mit zu den wertvollsten architektonischen Zeugnissen aus der Renaissancezeit in Chemnitz.
Der Portalbogen wird durch kannelierte Säulen gerahmt, aus den Zwickeln schauen Neid- oder Gaffköpfe heraus. Die Ornamente des Medaillons im Dreieckgiebel sind verloren gegangen, die beiden Vasen hingegen eine Ergänzung aus dem Jahr 1955. Das Portal gehört mit zu den wertvollsten architektonischen Zeugnissen aus der Renaissancezeit in Chemnitz.
Drei (vier) Portale am Markt in Dippoldiswalde
Marktplatz Dippoldiswalde
Rathausportal
Der Marktplatz (55 m x 100 m) von Dippoldiswalde wird von Häusern aus dem 16. bis 19. Jahrhundert umgeben; an der Südseite befindet sich das stattliche Rathaus, dessen Ursprünge bis in das 15. Jahrhundert zurückgehen. Den Haupteingang des Renaissancebaues bildet ein Rundbogenportal mit Sitznischen und spätgotischem Stabwerk. Über dem Portal befindet sich das Maltitzsche Wappen, in dessem Umschrift (HEINRICH VON MALTITZ VFF DIPPELSWALT MDXXXIIII) die Jahreszahl 1534 zu erkennen ist.
Im Durchgang zur Stadtkirche westlich am Rathaus befindet sich ein weiteres Sitznischenportal.
Portal am Maltitzschen Bergamt
Und ein drittes Renaissance-Sitznischenportal entdeckt man am Haus Markt 7, dem "Maltitzschen Bergamt". Auf der Informationstafel kann man lesen, dass sich "hier (...) das ehemalige Maltitzsche Bergamt (befand), benannt nach Sigismund von Maltitz, welcher 1507 als Bergherr von Dippoldiswalde das Nasspochwerk erfand.
Das Rundbogenportal mit Sitznischen und dem im Bogensturz befindlichen Wappen der Herren von Maltitz erinnert an das ehemalige Renaissancebauwerk. In der 2. Hälfte des 16. Jh. war es der Gasthof zu 'St. Salvator' und ab dem 17. Jh bis 1947 der 'Goldne Stern', danach Sitz von verschiedenen Institutionen. Heute ist es Wohn- und Geschäftshaus."
Bleibt zu ergänzen, dass aktuell (2014) eine Restaurierung dem Gebäude bestimmt gut täte ... - denn die historische Altstadt von Dippoldiswalde ist bereits ein richtiges Schmuckkästchen.
Und noch eine Ergänzung: Geht man um das stattliche Rathaus herum, dann kann man an der Ostseite noch ein viertes, ziemlich großes Sitznischenportal entdecken. Im Bogenscheitel des Portals an der Ostseite findet sich die Jahreszahl 1543.
Renaissanceportale in der Altstadt von Meißen
Meißen, Markt
Meissen, Albrechtsburg
Ein solches Schmuckkästchen ist zweifellos auch Meißen, die Stadt zieht mit ihren Sehenswürdigkeiten Touristen und Gäste aus aller Herren Länder an und lohnt den Besuch zu jeder Jahreszeit. Ob man dabei gleich zum Dom und zur Albrechtsburg stürmt oder sich Zeit lässt beim Bummel durch die Altstadt, muss jeder selbst entscheiden; auf jeden Fall gibt es viel zu entdecken - darunter außergewöhnliche Portale der Renaissancezeit.
Meißen, Markt 2
Das große Eckhaus Markt 2 ist zwar erst gut 100 Jahre alt (Baujahr 1901), doch das aufwändige Renaissanceportal stammt aus dem Jahr 1624. Hier befand sich der Gasthof "Zum Roten Hirsch". Wohl deshalb wird im Portalrelief die Geschichte des Jägers Aktaion dargestellt, der einst die Göttin Diana mit ihren Gespielinnen beim Baden belauschte und dann, von ihr in einen Hirsch verwandelt, von seinen eigenen Hunden zu Tode gehetzt wurde.
Marktapotheke
Das Haus Markt 4 - die Marktapotheke - stammt aus dem Jahr 1555. Am später hinzugefügten Barockerker ist die Jahreszahl 1717 zu erkennen.
Meißen, Markt 9 (Bennohaus)
Das Haus Markt 9 wird auch "Bennohaus" genannt (nach dem heiliggesprochenen Bischof Benno). Ende des 16. Jahrhunderts wurde das spätgotische Haus umgebaut, aus dieser Zeit stammt auch das prächtige Renaissance-Sitznischenportal. Sitzsteine, Muscheln als Abschluss der Nischen und vor allem der mit drei unterschiedlichen Formen kräftig profilierte Bogen sind typische Gestaltungselemente jener Zeit. Die Rosetten in den Zwickeln und im Fries sowie die Kartusche im Bogenscheitel sind barocke Ergänzungen. 1841 wurde hier die erste Freiwillige Feuerwehr Deutschlands gegründet, heute hat der Kunstverein Meißen e. V. hier seinen Sitz.
Meißen, Altes Brauhaus
Löwenbezwinger
Wenige Schritte nur entfernt, An der Frauenkirche 3, befindet sich das Alte Brauhaus, das ehemalige Stammhaus der Schwerter-Brauerei, auch "Bahrmannsches Haus" (nach dem Brauereibesitzer Bahrmann) genannt. 1460 erstmals erwähnt wurde das Haus 1569/71 über trapezförmigem Grundriss komplett im Renaissancestil neu- bzw. umgebaut und verfügt seitdem über ein prachtvolles mit Säulen gerahmtes Sitznischenportal, das als krönenden Abschluss im Relief den Löwenbezwinger Samson zeigt.
Gleich daneben, hinter der Frauenkirche, steht das mit kleinen Obelisken und Voluten versehene "Tuchmachertor", das die offenbar gut betuchten Meißner Tuchmacher 1614 ursprünglich als Eingang zum Stadtfriedhof gestiftet hatten. Wie die Inschrift verrät, war das Tor lange Zeit dem Verfall preisgegeben, das heutige Tor an dieser Stelle ist eine Kopie und wurde im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes (NAW) 1954/56 wiederhergestellt.
Geht man nun wieder ein paar Schritte zurück zum Markt und anschließend weiter zum Kleinmarkt, dann entdeckt man hier noch mindesten fünf weitere Renaissanceportale, deren Sitznischen, wie ersichtlich, tatsächlich genutzt werden. :-)
In der entgegengesetzten Richtung, oben auf dem Weg zur Albrechtsburg, passiert man die "Freiheit", hier siedelten die Burgmannen, hier wurden Burglehenhäuser und "Freihöfe" für den Adel gebaut.
Meißen, Freiheit 2
Schleinitz-Hof
Ein solcher Adelsfreihof ist der Schleinitzer Hof, Freiheit 2, der über ein repräsentatives Sitznischenportal verfügt. Auf der Informationstafel am Haus kann man lesen: "Burglehen. Seit etwa 1230 Teil der Befestigung des Dombergs mit Trockengraben und Zugbrücke. Dann spätmittelalterlicher Lehenshof. Um 1550 Portal mit Schleinitz-Wappen und Holztüre. Nach dem 30-jährigen Krieg baulich erweitert. 1738 Verlegung des Zufahrtsweges und Bau der Vorbrücke. 1916 renoviert. Schloßbrücke um 1221/27, sehr alte Steinbrücke." Bleibt noch zu ergänzen, dass der Maler Ludwig Richter hier von 1828 bis 1836 seinen Wohnsitz hatte.
Meißen, Freiheit 1
Jahnaischer Hof, Meißen
Die Herren von Schleinitz spielten eine nicht unbedeutende Rolle in Meißen; ein gewisser Hans von Schleinitz, Chef des Rittergutes Niederjahna, ließ sich hier in Meißen, Freiheit 1, um 1609/10 eine Stadtwohnung errichten, die seitdem als Jahnaischer Freihof bekannt ist. Schon an der Außenmauer fällt das außergewöhnliche Hofportal auf, ein reichverziertes Sitznischenportal, das vom Schleinitzschen Wappen bekrönt wird. Über dem Bogen befindet sich eine Inschrift: "ANNO 1616 - PAX IN TRANTIBVS SALVS EXEVNTIBVS - GEHET ZV SEINEN THOREN EIN MIT DANCKEN ZV SEINEN VORHÖFEN MIT LOBEN DANCKET IHM LOBET SEINEN NAMEN GELOBET SEY DER HERR EWIGLICH AMEN AMEN - S.N.D.B.I.Ss.A".
Meißen, Freiheit 1 (Jahnaischer Hof)
Der Jahnaische Hof ist nicht öffentlich zugänglich, doch am Tag des offenen Denkmals ist offen... Und dann kann man einen Blick auf das zweite Portal werfen - Die "Perle" unter den Renaissanceportalen in Meißen! So liest man es auf der Informationstafel an der Hofmauer: "Jahnaischer Hof. Ehemaliger Adelsfreihof, am Treppenturm das 'Löwenportal', die Perle unter den Renaissancetoren (1610), Holztür von 1609, straßenseitiges Hofportal von 1616. Beide Portale wurden 1965/67 erneuert."
Meißen, Freiheit 1 (Löwenportal)
Ja, richtig gelesen, die Portale wurden inzwischen durch Kopien ersetzt, die Originale befinden sich geschützt im Stadtmuseum. Doch die Holztür des Löwenportals am Treppenturm ist original, lediglich die farbliche Fassung des Wappens (Schleinitz) wurde erneuert. Dieses Portal ist vielleicht das bemerkenswerteste Sitznischenportal überhaupt: Die Sitzsteine sind mit Büsten verziert, die plastisch ausgearbeiteten Löwenfiguren im Bogen stützen sich jeweils mit einer Pranke ab, mit der anderen halten sie das Schleinitzsche Wappen in einer Kartusche. Im Bogen befindet sich die Inschrift: "DER HERR BEWARE DEINEN EINGANCK VND AVSGANCK VON NVN AHN BIS IN EWIKEIT AMEN". Links und rechts über den Sitznischen kann man auf zwei Konsoltafeln lesen: "WIR HABEN NICHTS IN DIE WELT GEBRACHT NEHMEN AUCH NICHTS MIT HINAUS / WIR HABEN HIR KEINE BLEIBENDE STAD SONDERN DIE ZVKVNFDIGE SVCHEN WIR", dazu die Namen "HANS V SCHLEINITZ ZV SCHIRIZ VND IHANA" sowie "MARIA V SONDHAVSEN F ZV SCHIRIZ VND IHANA" und die Jahreszahl 1610.
Renaissancestadt Torgau