Beispiele zur Renaissancebaukunst - Der erste Profanbau der Neuzeit:


Das Ospedale degli Innocenti - das Findelhaus in Florenz


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Findelhaus in Florenz
Wie kaum eine andere Stadt atmet Florenz den Geist der Renaissance: Ob man nun die unvergleichlichen Werke der bildenden Kunst bewundert oder sich einfach nur mit dem Touristenstrom durch die Stadt treiben lässt, beinahe überall spürt man, dass hier vor etwa 500 Jahren eine neue Zeit begann - eine Zeit, die den Menschen in den Mittelpunkt stellte.
Nicht zufällig also entstand hier der erste Profanbau der Neuzeit: Das Ospedale degli Innocenti (Haus der unschuldigen Kinder) - das Waisen- und Findelhaus.

Die ursprünglich nur als Berufsgenossenschaften eingerichteten Zünfte übernahmen mit der Zeit weitergehende Aufgaben. Seit 1294 war in Florenz die angesehene (und reiche) Zunft der Seidenweber verantwortlich für die Waisen und für die (aus welchen Gründen auch immer) in die Obhut der Stadt ausgesetzten Findelkinder.

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Filippo Brunelleschi (1377-1446) war Mitglied der Seidenweberzunft und bekam 1419 den Auftrag für Bau eines repräsentativen Gebäudekomplexes.


Das Räume des Findelhauses (Kirche, Schlaf- und Krankensaal, Funktionsräume) gruppieren sich um einen Innenhof und werden in der Front von einer Loggia zusammengefasst. Diese Vorhalle ist es vor allem, die den neuen Geist der Renaissance mit klaren Proportionen in ihrer  harmonischen Gestaltung versinnbildlicht. Die Loggia öffnet sich zur Piazza della Santissima Annunziata (Verkündigung Mariä, benannt nach der gleichnamigen Kirche) mit in schlichter Regelmäßigkeit angeordneten Rundbögen auf schlanken Säulen.

Brunelleschis Findelhaus
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Die geometrischen Formen von Kreis, Quadrat und einfache Zahlenverhältnisse bilden dabei die zugrunde liegenden Maße der Loggia. Der Abstand der Säulen entspricht ihrer Höhe, so das Quadrate entstehen, die von den Halbkreisen der Bögen überspannt werden. In der Folgezeit wird diese Arkadengestaltung (Rundbögen über schlanken Säulen) zu einem beliebten Architekturmotiv und vielfach kopiert. Die Tiefe der Loggia beim Findelhaus entspricht ebenfalls dem Säulenabstand, Brunelleschi überwölbte die Abfolge der dadurch entstehenden quadratischen Joche mit sogenannten "Hängekuppeln" (halbkugelige Kuppeln).

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Findelhaus in Florenz
Die Fassade des oberen Stockwerks wird durch eine schlichte Wandfläche gebildet, die nur von rechteckigen Fenstern mit Dreiecksgiebeln durchbrochen wird. Die Fenster liegen in den Scheiteln der Bögen. Die beiden Stockwerke werden durch einen breiten (eigentlich dreiteiligen) Architrav getrennt. Wie ein antiker Tempel steht die Loggia erhöht auf neun Stufen.

Das heutige Bild zeigt nicht ganz das, was Brunelleschi ursprünglich geplant hatte. 1427 übernahm Francesco della Luna die Bauleitung und nahm einige (leichte) Veränderungen vor. Er verbreiterte die Front um zwei Joche und veränderte dadurch die seitlichen Abschlüsse und die Pilasterdekoration. 1487 wurden in den Zwickeln der Bögen die mit weißblauer Glasur versehenen Terrakotta-Rundbilder der "Wickelkinder" von Andrea della Robbia (1435–1525) eingefügt.

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An der Schmalseite der Loggia kann man die Stelle besichtigen, wo einst die Kinder abgelegt wurden. Eine dort angebrachte Tafel klärt näher über diese "Babyklappe" (The admissions window) auf:
"Das Ospedale degli Innocenti wurde an einer antiken Säule gegründet, die Ähnlichkeit mit einem Steinkelch bzw. einem Weihwasserbecken aufwies. Ursprünglich wurde diese Säule außerhalb des Gebäudes am südlichen Ende der Loggia aufgestellt. Später wurde die Ablage in ein  Gitterfenster eingebaut. Das Gitter war gerade groß genug, dass nur Neugeborene hineinpassten. (Die älteren hilfsbedürftigen Kinder wurden von anderen Einrichtungen in der Stadt betreut.)
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1660 wurde das Gitterfenster an die heutige Stelle der Loggia versetzt, um so näher bei den Räumen der Ammen zu sein. Es blieb bis 1875 in Gebrauch.
Über Jahrhunderte hinweg kamen die Menschen, die ein Kind der Obhut der "Innocenti" anvertrauen mussten, an dieses Fenster und legten ihr Baby auf ein weiches Kissen direkt hinter die Gitterstäbe.
Heute erzählt das Museo degli Innocenti die Geschichte der Institution und erforscht das Leben der Mädchen und Jungen, die hier lebten."

(freie Übersetzung des engl. Textes auf der Tafel, hb)

Auf der Piazza Santissima Annunziata und Santa Maria Novella

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Die von Brunelleschi entworfene Fassade des Ospedale degli Innocenti wird danach auch Vorbild für die angrenzenden Bauten der Piazza Santissima Annunziata:
1516 entwirft Antonio da Sangallo d. Ä. die Loggia dei Servi gegenüber dem Findelhaus. Auch die  Kirche Santissima Annunziata bekommt von Giovanni Battista Caccini ab 1601 eine Loggia mit sieben Bögen, die ebenfalls sehr an die Formen der anderen beiden Fassaden auf dem Platz erinnert.

Piazza Santissima Annunziata
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Piazza Santa Maria Novella, Ospedale
di San Paolo, Florenz
"Die Loggien, freistehend oder als Bestandteil öffentlicher Gebäude ein charakteristisches urbanes Element, erhalten mit der Vorhalle des Findelhauses den für die Renaissance vorbildlichen Typ und Stil. Ihr folgen zahlreiche Hallen in Florenz und anderen italienischen Städten." (1)
Dazu gehört auch die mit Rundmedaillons von Andrea della Robbia geschmückte Loggia des ehemaligen Ospedale di San Paolo (heute Museum für Fotografie) auf der Piazza Santa Maria Novella in Florenz, gegenüber der gleichnamigen Kirche.


Pistoia: Die Loggia des Ospedale del Ceppo

Bis 2013 war das Ospedale del Ceppo das Hauptkrankenhaus der Stadt Pistoia. (Jetzt wurde hier ein Kulturzentrum eingerichtet u. a. mit einem Museum zur Geschichte der Medizin). Auch hier finden wir die typische, von Brunelleschi inspirierte Gestaltung der Loggia. Sie wurde zwischen 1512 und 1517 fertiggestellt und mit Medaillons von Benedetto Buglioni und Giovanni della Robbia (1515-1529) sowie einem Fries mit Werken der Barmherzigkeit geschmückt. (Quelle: Tafeltext vor dem Gebäude).

Pistoia: Ospedale del Ceppo
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(1) Werner Müller, Gunther Vogel, dtv-Atlas Baukunst, Bd. 2, 16. Aufl. 2015, S. 447

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zur Pazzi-Kapelle, Florenz