Zwei Renaissanceportale am Georgenbau des Residenzschlosses in Dresden


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Residenzschloss Dresden, Georgentor, Ansicht heute

Die Teilung Sachsens 1485 in die kurfürstlich-ernestinische und in die herzoglich-albertinische Linie hinterließ ihre Spuren auch im Baugeschehen: Das Dresdner Schloss wurde zur Residenz ausgebaut, Herzog Georg, der im Übrigen ein entschiedener Gegner der Reformation war, ließ am neu entstandenen Georgenbau (ca. 1530-1535) ein umfangreiches Bildprogramm anbringen, das die alte katholische Lehre thematisierte. Die Themen dieses komplexen Bildprogramms waren Sünde, Tod und Erlösung. Auf der Nordseite befand sich der berühmte Figurenzyklus "Dresdner Totentanz", den man heute vor der Witterung geschützt im Innern der Dreikönigskirche betrachten kann.
Bei der Umgestaltung des Residenzschlosses (1899/1901) wurde das Georgentor (Georgenbau) im Stile der Neorenaissance völlig verändert. Der repräsentative und aufwändig geschmückte neue Bau bekam drei Durchfahrten, die ursprünglichen Tore der Nord- bzw. Südseite wurden versetzt. Sie sind in großen Teilen erhalten.

Das ehemalige Nordportal am Georgenbau

Die Restauratorin Stephanie Silligmann beschreibt das Portal wie folgt:

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Ehem. Nordportal am Georgenbau
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"Das Rundbogenportal wird von einer rechteckigen Rahmung umgeben. Die Portalrahmung setzt sich aus zwei Balustersäulen vor breiten Pilastern zusammen, die den Architrav und Giebel tragen. Die sich nach oben verjüngenden Säulen ruhen auf verkröpften, ausladenden, dreiviertelrunden Postamenten und werden von zierlichen Kapitellen abgeschlossen. Basis und Kapitell der Pilaster sind entsprechend gestaltet.
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Die Schäfte sind mit flachreliefierten Putten und Kandelabermotiven versehen. Der Architrav wird sowohl nach unten als auch nach oben durch ein profiliertes, verkröpftes und vorkragendes Gesims begrenzt. Seit dem Umbau 1901 sitzen auf dem Gesims über beiden Säulen zwei Löwen, die Wappenschilde halten. Den Giebelaufsatz bildet eine gerahmte rechteckige Schriftplatte, die seitlich von je einer Volute abgeschlossen wird. Darin ist eine lateinische Inschrift in erhabenen Buchstaben zu lesen, die das Motto des ikonografischen Bildprogramms aufgreift. Die Portalgewände sind in ihren architektonischen Formen schlicht gehalten. Der Rundbogen setzt über einem einfachen Profil an und zeigt im Scheitelpunkt einen Schlussstein mit einem Totenkopf. In den Zwickeln sind vom Betrachter aus gesehen links Adam mit einer Hacke und rechts Eva, die ein Kind stillt, als flachreliefierte Liegefiguren dargestellt." (1)

Details am ehemaligen Nordportal
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Die Inschrift auf dem Giebelansatz lautet: "PER INVIDIAM DIABOLI MORS INTRAVIT IN ORBEM" (Durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt)

Das Nordportal ist seit längerem an der Westseite des Georgentores hinter Bauzaun und Bauplanen versteckt, doch es besteht Hoffnung, dieses typische Beispiel eines Renaissanceportals bald wieder betrachten zu können. Auch die Teile des ehemaligen Südportals muss man erst ein wenig suchen, sie befinden sich im Durchgang zum Stallhof.

Das ehemalige Südportal am Georgenbau, Dresden

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Ehem. Südportal, Georgenbau
Silligman weiter: "Die beiden Südportale sind seit 1901 zu einem Portal zusammengesetzt und im Erdgeschoss des Georgenbaus im Inneren in eine Wand integriert worden. Die Portalgewände stehen auf einem schlichten Sockel, der sich seitlich an der Wand fortsetzt, und sind mit flachreliefierten Kandelabermotiven verziert. Über einem verkröpften, profilierten und vorkragenden Gesims erhebt sich der Rundbogen. In den Zwickeln über dem Bogen befinden sich Bildnismedaillons mit Wappen, die durch Inschriften eindeutig als Herzog Georg sowie dessen Sohn Johann identifiziert werden können. Zwischen Rundbogen und Architrav verläuft ein schmales, profiliertes Gesims, das mit einem Blattfries verziert ist. Der Architrav ist mit einer rechteckigen Schrifttafel versehen, die in erhabenen lateinischen Buchstaben die Entstehungszeit des Portals bezeichnet. Die seitlichen Abschlüsse des Architravs stellen zwei Delfine dar. Den halbrunden Giebelaufsatz ziert eine Muschel." (1)


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Zur Ikonografie und kunsthistorischen Bedeutung

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"Brudermord"
Stephanie Silligmann:
"Die nördliche und südliche Fassade des Georgenbaus beinhaltetet komplexe theologische Themen, die einander entgegengesetzt waren. Die Nordseite veranschaulichte Sünde und Tod. Am Portal bringen dies die Inschrift und der Totenkopf im Scheitelpunkt zum Ausdruck. Vervollständigt wurde die Aussage durch ein Relief mit dem Brudermord Kains an Abel sowie den Figuren Adam und Eva, die neben dem Baum der Erkenntnis stehen.(...) Diese Bauplastiken sind nicht mehr vorhanden.
(Anm. HB: Das Relief mit dem Brudermord blieb erhalten. Siehe  Abb.)
  
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Die Südfassade thematisierte die Erlösung. Zu den Bauplastiken, die größtenteils verloren sind, zählen eine Christusfigur, Johannis der Täufer, das leere Kreuz des Auferstandenen und zwei Engel mit den Leidenswerkzeugen Christi, durch die Sünde und Tod gesühnt werden. Sie bringen zusammen mit einer ebenfalls nicht mehr erhaltenen Schrifttafel mit zahlreichen Bibelsprüchen zum Ausdruck, "daß der Glaube an die Erlösung sich in guten Werken beweisen muß." (...) Herzog Georg und sein Sohn und Thronfolger Johannes bekennen sich zu dieser Haltung durch die Darstellung ihrer Bildnisse mit Inschriften in den Zwickeln über dem Portal.( ...)
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Herzog Georg
Das Fassadenprogramm des Georgenbaus kann als katholische Antwort auf die neue lutherische Lehre interpretiert werden. Die gewichtige theologische Thematik anstelle der sonst an Fassaden üblichen Selbstdarstellung der Fürsten und ihrer Macht ist durch die religiösen Auseinandersetzungen der Zeit und die Persönlichkeit Herzog Georgs zu erklären, der sich als sächsischer Herrscher mit aller Macht gegen das Vordringen der Reformation stellte. (...)
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Putten am ...
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...Südportal

Der Georgenbau ist das erste Bauwerk in Dresden, bei dem die neuen Formen der Renaissance Anwendung fanden. Als Teil der Schlossanlage und durch die theologische Bedeutung der Bauplastik ist es ein wichtiges Denkmal der Religionsgeschichte und besitzt bau- wie stadtgeschichtliche Bedeutung." (1)

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zitiert aus:
(1) Stephanie Silligmann: Das polychrom gefasste Sandsteinportal im Flaschenturm des Schlosses Hartenfels zu Torgau in Sachsen: Eine exemplarische Untersuchung zur polychromen Bauplastik der Renaissance und zu ihrer Erhaltungsproblematik. Hildesheim 2007, Master-Thesis, S. 105ff.

Online verfügbar (pdf-Datei) unter:
http://193.175.110.9/hornemann/german/epubl_hochschularbeiten1119.php#angaben
http://dx.doi.org/10.5165/hawk-hhg/69
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