Die "Goldene Pforte" am Dom zu Freiberg in Sachsen


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Untermarkt mit Dom, Freiberg
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Im Dom zu Freiberg
Das als "Goldene Pforte" bekannte Portal am Dom zu Freiberg ist ein herausragendes Kunstwerk der Spätromanik. Um in Freiberg die Silberfunde und den daraufhin einsetzenden Bergbau zu sichern wurde zunächst eine Burg errichtet, das heutige Schloss Freudenstein, daneben entwickelte sich die Stadt Freiberg zu einem blühenden Gemeinwesen. Zum Ausklang des 12. Jahrhundert errichtete man eine Marienkirche als Pfarrkirche. Es handelte sich dabei um eine spätromanische Pfeilerbasilika, deren etwa 1225/30 entstandenes Westportal vom Burgvorplatz aus sichtbar gewesen sein muss. Das ursprünglich farbig gefasste Portal ist von außergewöhnlicher Schönheit - sein Bildprogramm verdeutlicht wie in einer aufgeschlagenen Bibel die Grundgedanken der christliche Lehre. Der Name "Goldene Pforte" lässt die inzwischen verlorengegangene Farbigkeit anklingen.
Die Marienkirche wurde im 15. Jahrhundert zu einer prächtigen spätgotischen Hallenkirche umgebaut und 1480 zum Dom erhoben. Bei den Umbauarbeiten wurde die Goldene Pforte an die heutige Stelle versetzt.
 
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Geometrie
Die Portalanlage ist ein Beispiel für eine vollendete Harmonie, dem architektonisch der Kreis als (vollkommene=göttliche) geometrische Figur zu Grunde liegt. Im Zentrum befindet sich das Christuskind, mit ihm kommt das Licht in die Welt. Sein Erscheinen ist jedoch kein Zufall und so wird der große "Heilsplan" hier am Portal mit vielfältigen Verweisen anschaulich dargestellt.

Goldene Pforte
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Die prachtvolle architektonische Gestaltung des Portals zeigt sich in den klug eingesetzten Details: Jeweils fünf Säulen und vier Pfeiler ergeben neun Rücksprünge auf jeder Seite. In den ausgenischten Pfeilern stehen Figuren auf kleinen Säulen. Die Gewändesäulen, deren ornamentale Verzierungen von außen nach innen zunehmen, gehen über in halbkreisförmige Bogenläufe, den Gewändefiguren entsprechen Archivolten, in deren Kehlen weitere Figuren angebracht sind.

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Mit hoher Wahrscheinlichkeit geht das theologische Bildprogramm auf Ludeger, einen Abt des Zisterzienserklosters Altzella, zurück. Dabei stehen nicht Strafe und Gericht, sondern Heil und Erlösung, Auferstehung und ewiges Leben im Mittelpunkt des Denkens. Gott selbst wird als Mensch von einer Jungfrau geboren (wie von den alten Propheten geweissagt) und so zeigt das gesamte Figurenprogramm mannigfache Bezüge zu Christus und Maria auf. Dabei stehen die Gewändefiguren links und rechts jeweils paarweise in Relation zueinander.

Gewändefiguren
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Daniel | Königin. v. Saba | König Salomo| Joh. d. T. | Joh. Evg. | König David | Bathseba  | Aaron


Auf der rechten Seite außen ist als erster Aaron zu sehen, der Bruder von Moses und der erste Hohepriester des israelitischen Volkes.
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Würdevoll steht er da mit seinem langen Bart, in der einen Hand trägt er seinen berühmten grünen Stab (der Legende nach grünte genau einer von zwölf trockenen Stäben - nämlich der des Aaron, der so das Priesteramt begründete), in der anderen Hand hält er den Krug, der die himmlische Speise - das Manna - enthielt, von dem das Volk sich während der langen Wanderung durch die Wüste nährte. Der grünende und fruchtbare Stab (das "Stabwunder") ist ein Hinweis auf die Reinheit Marias, auf das Wunder der Jungfrauengeburt. Und so wird vom "ersten" Hohepriester des Volkes Israel die Verbindung zum "wahren" Hohepriester der Menschen, zu Christus gezogen. Aaron steht mit seinen Füßen auf der "Rotte Korah", das ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Männern, die ob seiner Priesterschaft murrten und deswegen durch himmlisches Feuer vernichtet wurden.

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Daniel ...
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... mit Löwe
Dem Hohepriester Aaron gegenübergestellt ist links der Prophet Daniel. Als junger elegant-schöner Mann (man beachte die Beinstellung - Daniel tanzt!) kam er einst mit seinen Freunden in die babylonische Gefangenschaft, doch er blieb seinem Glauben treu und infolge seiner prophetischen Gabe Träume deuten zu können, avancierte er sogar zum Liebling des Königs und stieg zu Amt und Würden auf.
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der Löwe unter Daniel
Daniel muss aber den Bogen überspannt haben (genügend viele Neider hatte er ohnehin), so dass er zur Strafe in eine Löwengrube geworfen wurde. Die ausgehungerten Löwen taten ihm nichts und er überlebte das grausige Experiment. Daniel wird deshalb in der Kunst traditionell mit Löwen dargestellt, hier in Freiberg steht die Figur auf einem Löwen. Die wundersame Errettung aus der Löwengrube wird als Auferstehung gedeutet, aus dem dunklen Grab kommt der eigentlich schon Tote wieder ans Licht. Daniels Schriftrolle am Gewände weist ihn als Propheten aus, seine Aussagen über die Fleischwerdung des Wortes werden als Ankündigung des Erlösers interpretiert.


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Königin von Saba u. Salomo
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Bathseba
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König David
Die folgenden Skulpturen stellen zwei mit den Attributen Kronen und Szepter versehene Königspaare dar: auf der rechten Seite des Portals König David mit einer Harfe in den Händen, davor seine Königin Bathseba. Sie repräsentieren das "davidische" Königshaus, aus dem der geweissagte Messias hervorgehen wird. Bathseba ist die Mutter des nachfolgenden Königs Salomo, der vor allem durch seine weithin gerühmte Weisheit bekannt wurde. So bekannt, dass eine Königin aus dem fernem Lande Saba anreiste, um sich mit ihm (in einer Heiligen Hochzeit?) zu treffen. Die Figuren des Königspaares Salomos und der Königin von Saba stehen auf der linken Seite des Gewändes, gegenüber David und Bathseba. Beide Königspaare symbolisieren das ewige Königreich Christi und darüber hinaus entsprechend der christlichen Theologie die Vereinigung des Bräutigams, Christus, mit seiner Braut, der Kirche.
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der Affe (aus Saba)
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(?) unter Salomo
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(?) unter David
Auf die ferne Herkunft der Königin von Saba weist der Affe unter ihren Füßen hin, Bathseba indes steht auf Weintrauben. Sie ist als Mutter Salomos ein Urbild Marias, ihr Sohn Salomo in seiner Weisheit ein Urbild Christi.

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Johannes d. Täufer
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... Evangelista
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Johannes ...
Dem Eingang (und damit dem eigentlichen Geschehen) am nächsten sind links die Gestalt Johannes des Täufers und rechts die Gestalt Johannes des Evangelisten.
Johannes (Evangelist) ist in der christlichen Tradition der "Lieblingsjünger" Jesu und Autor des Johannesevangeliums. Er war der Legende nach als Augenzeuge bei allen wichtigen Ereignissen um Jesu dabei und hat das Geschehen dokumentiert. Deshalb hält er auch eine Schriftrolle - in dem ihm zugeschriebenen Evangelium hat die Erscheinung des Heilands als Menschwerdung Gottes zentrale Bedeutung.

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...Domitian?
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Römischer Kaiser: ...
Der Kopf unter seinen Füßen könnte den Kaiser Domitian darstellen; der römische Kaiser schickte Johannes in die Verbannung.
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Johannes d. Täufer
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Johannes d. Täufer
Die Gestalt des Johannes des Täufers auf der linken Seite des Portals steht dagegen auf einem Frauenkopf mit langen Haaren, dabei wird es sich wohl um Salome, der Tochter der Herodias, handeln, die als Lohn für ihren aufreizend-erotischen Tanz (Tanz der sieben Schleier) den Kopf des Täufers von Herodes gefordert hatte.
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Salome
Johannes der Täufer ist traditionell in ein Fellgewand gekleidet, er hält eine Schale in den Händen, in der das "Lamm Gottes" zu sehen ist. Er sah in Jesus den angekündigten Messias und nimmt als einzige Figur am Portal direkten Blickkontakt zum Jesuskind im Tympanon auf.

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So wie bereits alle Gewändefiguren auf Christus hinweisen, beinhaltet das Tympanon nun die zentrale Idee des Portals: Die Menschwerdung Gottes, die Ankunft des Kindes und die Hoffnung auf Erlösung. Die Jungfrau Maria ist hier  (Gottes-) Mutter und Himmelskönigin. Doppelt (königlich und Mitra-ähnlich) ist ihre Krone, Maria sitzt hoheitsvolls und von göttlicher Weisheit durchdrungen (wie der von irdischer Weisheit durchdrungene Salomo) auf dem himmlischen Weisheitsthron und präsentiert ihr Kind. Sie ist gleichzeitig Ecclesia - die Kirche - und die Braut Christi, dem sie eine Kugel oder Apfel als Herrschaftssymbol überreicht. Das Christuskind hat die rechte Hand zum Segensgruß erhoben, die linke liegt besitzergreifend auf einer Kugel, Engel bringen mit verhüllten Händen weitere.

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Der originale Kopf des Christuskindes im Tympanon ging verloren, der jetzige ist eine Neuanfertigung des 19. Jahrhunderts. Es ist daher nicht bekannt, ob Christus so wie heute auch ursprünglich den Betrachter frontal anschaute oder sich den heiligen drei Königen zuwandte, die ihm anbetend von links kommend Geschenke reichen.
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Löwen beschützen ...
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... das Paradies
Rechts neben dem Christuskind trägt der Verkündigungsengel einen Lilienstab, das Symbol für die Reinheit und Jungfräulichkeit Marias. Neben ihm sitzt wie ein Patriach Joseph auf einem kleinen Thron, die Augen ehrfurchtsvoll stolz erhoben. Auch er hält einen Stab in den Händen. Die ganze Familienszene wird von einem das Paradies symbolisierenden Blattrankenwerk bogenförmig eingerahmt. Das Paradies wird von zwei Löwen bewacht, die rechts und links die bösen Drachen abwehren.

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Halbkreisförmige Bögen (Archivolten) setzen nach oben zu die Geschichte in den himmlischen Sphären fort. Im Scheitel des ersten Bogens über dem Tympanon krönt Christus die Mutter, Braut und Königin Maria, die vier Erzengel (von denen jedoch zwei verloren gegangen sind, ihre Ergänzungen wurden als zu mangelhaft empfunden und ebenfalls wieder entfernt) sind (waren) - im Bogen angebracht - Zeugen des Geschehens. Ein anderer Engel reicht Christus das Buch des Lebens.

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In den beiden folgenden figürlichen Bögen werden 14 Personen, meist mit Buch oder Schriftrolle und auf kleinen Thronen sitzend dargestellt; es handelt sich um die 12 Apostel und möglicherweise um Lukas und Markus, die mit hinzugenommen wurden.
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Neben dem Scheitelpunkt des inneren Apostelbogens thront Abraham mit einem Kind - eine Seele, sicher in seinem Schoß geborgen. Ein weiteres Kind (noch eine gerettete Seele) nimmt er von einem Engel entgegen. Im Scheitel des äußeren Apostelbogens ist eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes dargestellt. In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass am 50. Tag (Pentekoste) der Heilige Geist herabkam und durch dieses "Pfingstwunder" die Apostel und Jünger befähigt wurden in allen Sprachen die christliche Botschaft zu verkünden. Pfingsten gilt deshalb ja auch als Geburtstag der "Kirche".

Details an den Bögen
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Im äußeren Figurenbogen findet der Erlösungsgedanke seine Vollendung. Dargestellt wird die Auferstehung am Jüngsten Tag, links und rechts sieht man, wie die Gräber und Särge sich öffnen und die Menschen heraus steigen. Doch sie sind nicht voll ängstlicher Erwartung, sondern frohen Sinnes: Im Scheitelpunkt des Bogens ergreift ein Engel zwei Auferstehende und zieht sie zu sich in das Reich Gottes. Rettung und Erlösung ist das Thema des Portals: Denn hier werden kein Gericht, keine Strafe, keine Verdammten in ihren Höllenqualen wie z. B. in Autun (»Weltgerichtsportal des Gislebertus) dargestellt - hier wird die Botschaft verkündet, dass Christus Mensch wurde, um die Menschen zu erlösen. Die "Goldene Pforte" zeigt am Ende Heil und Rettung!

Auferstehung am Jüngsten Tag
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Auferstehung und Erlösung
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nach Nossen, Klosterpark Altzella

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Quellen und Literatur:
H. Magirius, Der Dom zu Freiberg, Koehler & Amelang, Leipzig 1985
H. Magirius, Der Dom zu Freiberg, Das Christliche Denkmal, herausgegeben von F. Löffler, Heft 3/3A, Berlin 1969
M. Hübner, Dom St. Marien in Freiberg, Hinstorff, Rostock 2001
Chr. Kandler, Die Goldene Pforte am Dom zu Freiberg, Faltblatt, Herausg: Ev.-Luth. Domgemeinde Freiberg