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Romanische Portale und Kapitelle in Sachsen-Anhalt
Das ehemalige Kloster zu Ilsenburg
Klosterkirche
Kapitell in der Klausur
Es ist schon erstaunlich, was für kostbare Perlen romanischer Baukunst man alles am Harzrand entdecken kann. So auch in Ilsenburg: Steigt man von der Ortsmitte zum Schloss empor und hat nach wenigen Schritten das neoromanische Schlossportal passiert, dann steht man unmittelbar der Kirche des ehemaligen Benediktinerklosters Ilsenburg gegenüber. Die Kirche macht jedoch von außen einen seltsamen Eindruck. Kein Wunder - wurde doch das Kloster in seiner tausendjährigen Geschichte umgebaut, verstümmelt, zerstört, in anderer Form wieder aufgebaut, fremdgenutzt und so immer wieder verändert.
Kapitell (Puttrich, 1)
Klausurgebäude von Osten
Die einstige Größe der Anlage lässt sich daher nur noch ahnen. Umso mehr überraschen dann das Innere der einstigen Klosterkirche und die Räume der Klausurgebäude. Diese stellen mit ihren wunderbaren Säulen und den kunstvollen Kapitellen ein einzigartiges Zeugnis der Romanik im Harz dar und gehören mit zu den schönsten und ältesten Innenräumen des Harzgebietes.
Säulen und Kapitelle in der Klausur, Kloster Ilsenburg
Das Refektorium
Nach dem Brand von 1120 wurde das Refektorium im Südflügel der Klausur in der Amtszeit des Abtes Sigibodo, zwischen 1136 und 1161, wieder aufgebaut. Zwölf Säulen tragen die Gewölbedecke. Der ornamentale Schmuck der Säulenschäfte und -kapitelle nimmt dabei von West nach Ost zu.
Winterrefektorium (?)
Östlich an das Refektorium schließt sich ein weiterer, kleinerer Raum an, möglicherweise handelt es sich hier um das Winterrefektorium. Die Reste einer mittelalterlichen Heizungsanlage lassen diesen Schluss zu. Das ausgestellte Modell und die Computeranimation helfen dem Besucher, sich die ursprüngliche Klosteranlage vorzustellen. Das Obergeschoss des Südflügels existiert nicht mehr, hier könnten sich die Schreibstube (das Scriptorium) und die Bibliothek befunden haben.
Beheizt werden konnte im Mittelalter auch der sogenannte "Brüdersaal", das Kalefaktorium, ein ebenfalls gewölbter Raum, in dem sich die Mönche versammelten und aufwärmten. Schöne Würfelkapitelle mit Schildbogen schmücken drei der Säulen.
"Gartensaal"
Der Wiederaufbau des Ostflügels der Klausur mit dem Kapitelsaal und der Marienkapelle erfolgte anschließend in der Zeit zwischen 1161 und 1176 unter dem Abt Thioter. Der Chor (der östliche Bereich) der Marienkapelle ist leider nicht erhalten, doch der heute "Gartensaal" genannte Westteil und der ehemalige Kapitelsaal sind von ausgesuchter Schönheit. Im Gartensaal befindet sich ein geheimnisvolles Maskenkapitell: Zwei breite Ströme kommen aus dem Mund einer Figur, die noch dazu eine Krone trägt. Ist es ein König, der Recht spricht? Eine Mahnung an die Mönche oder ein Dämon zur Abschreckung? Wie wenig wissen wir heute doch über unsere Vorfahren...
In der Klosterkirche zu Ilsenburg
Computeranimation zur Ge-
schichte in der Klausur
Das Kloster entwickelte sich unter Burchard II. (ab 1059 Bischof von Halberstadt) und dem Abt Herrand (ein Verwandter Burchards) im 11. Jahrhundert zu einem geistigen Zentrum der Region. Der Neubau der Klosterkirche wurde 1087 durch Burchard II. geweiht. Diese romanische Kirche hatte beachtliche Ausmaße, es handelte sich um eine flachgedeckte dreischiffige Basilika mit Querhaus, gestaffeltem dreischiffigen Chor und mächtigem Westturmriegel. Heute ist das große Westportal leider vermauert, die Türme sind abgetragen. Die spätere Einwölbung, manche Umbaumaßnahmen und auch die Plünderungen im Bauernkrieg bekamen der Kirche und dem Kloster nicht gut, das nördliche Seitenschiff der Kirche musste abgebrochen, die Mauerhöhen verringert und kräftige Stützpfeiler im Süden angebaut werden. Während und nach dem Bauernkrieg gingen nicht nur große Teile der Baulichkeiten sondern auch die Bestände der ehedem weitberühmten Klosterbibliothek verloren.
Das um 1240 nachträglich eingezogene Gewölbe übte auf die Mittelschiffswände der Basilika einen zu hohen Druck aus. Um den drohenden Einsturz abzuwenden, mussten Mauern und Stützen verstärkt werden, das nördliche Seitenschiff wurde aufgegeben. So erlebt der Besucher heute einen seltsam anmutenden zweischiffigen Raumeindruck...
Der "mystische Fisch"
Eine besondere Kostbarkeit stellen die erhaltenen mittelalterlichen Fußbodenreste dar. Es handelt sich dabei um einen der wenigen erhaltenen Stuckfußböden des 12. Jahrhunderts mit farbigen Darstellungen verschiedener symbolbeladener Bilder. Deutlich lässt sich zum Beispiel am Eingang der "mystische Fisch" erkennen. Auf der Informationstafel in der Kirche kann man dazu viel Wissenswertes erfahren:
Text der Informationstafel zum Fußboden der Klosterkirche
Später übernahmen die Grafen von Stolberg-Wernigerode das Areal, ließen die ehemaligen Wirtschaftsgebäude zum Schloss und die Kirche zur Schlosskirche umbauen. Aus dieser Zeit stammt im Wesentlichen auch die heutige Ausstattung der Kirche - das Gestühl, der schwebende Engel und vor allem der wunderbar gearbeitete barocke Hochaltar. Der Altar stellt die Osterereignisse dar: unten in der Predella das letzte Abendmahl, darüber die Kreuzigung, dann die Kreuzabnahme und ganz oben den siegreichen und auferstandenen Christus.
Zu DDR-Zeiten diente das Schloss als Ferienheim, das Kloster indes verfiel. Seit einigen Jahren kümmern sich nun die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Klosters Ilsenburg e. V. und die von Maria Fürstin zu Stolberg-Wernigerode initiierte Stiftung Kloster Ilsenburg mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalsschutz um Restaurierung, Erhalt und Nutzung der Anlage. Viel wurde hier bereits getan, aber viel ist noch zu tun. Und der hier vielleicht eher zufällige Besucher ist jetzt höchst überrascht von dieser "tausendjährigen Schönheit" in Ilsenburg...
Aber machen Sie sich doch selbst ein Bild! Der Besuch lohnt! Kloster Ilsenburg heißt Sie jedenfalls herzlich willkommen.
Das Kloster Ilsenburg ist auch eine Station auf der "Straße der Romanik" durch Sachsen-Anhalt. Geschichtsinteressierte finden auf der Informationstafel vor dem Klostergelände Aufklärung:
Informationstafel: Benediktinerkloster Ilsenburg mit Klosterkirche St. Peter und Paul
Infotafel in Ilsenburg
1003 | Kaiser Otto III. (980-1002) (Anm. hb s. u.) übereignet die Pfalz |
"Elysynaburg" an Bischof Arnulf von Halberstadt (996-1023), der | |
hier ein Benediktinerkloster nach Fuldaer Vorbild gründet. Von | |
der 1018 geweihten Klosterkirche ist nichts erhalten. | |
1060/1070 | Bischof Burchard II. von Halberstadt (1059-1088) besetzt das Klo- |
ster mit Mönchen aus Cluny. Abt wird Herrand aus Würzburg, der | |
die berühmte Klosterbibliothek und Schreibstube gründet. | |
1078-1087 | Der Neubau der Kirche führt zu einem der ersten Reformbauten |
nach cluniaziensischen Vorbild. Zeitgleich zu der in Hirsau errichte- | |
ten Kirche St. Peter und Paul, wird in Ilsenburg eine dreischiffige, | |
kreuzförmige Basilika mit doppeltürmigen Westbau geschaffen, de- | |
ren dreischiffiger Chor eine Höhenstaffelung ohne Krypta aufweist. | |
Die Bauweise wird später als "Hirsauer Schule" bezeichnet. 1088 | |
wird Bischof Burchard II. im Chor beigesetzt. | |
1138-1176 | Umbau der Klausurgebäude. Der qualitätvolle Bauschmuck im erhal- |
tenen Ost- und Südflügel bezeugt den hohen Rang des Klosters. | |
um 1200 | Das Langhaus wird eingewölbt und mit einem Schmuckfußboden |
aus Gipsestrich versehen. Die seltenen Ritzzeichnungen im Estrich | |
mit eingelegten roten und schwarzen Pasten zeigen pflanzliche | |
Ornamente und Tiermotive. Zeitgleich werden die Basen der Lang- | |
hausstützen mit Stuck umkleidet, der bis auf zwei Stücke verlo- | |
ren ging. | |
um 1300 | In den doppeltürmigen Westbau wird ein Stufenportal mit figuren- |
geschmücktem Tympanon gesetzt. | |
1525 | Die Nordseite der Kirche mit Turm, Seitenschiff, Querhausarm und |
Chornebenkapellen geht während des Bauernkrieges verloren. | |
Große Teile der Klosterbibliothek werden im Kreuzhof verbrannt. | |
1547 | Nach der Reformation und der Aufhebung der Abtei erfolgt 1547 |
die Umwandlung in eine evangelische Klosterschule. | |
1572/1573 | Die Grafen von Stolberg-Wernigerode übernehmen die Verwal- |
tung und richten 1609 hier ihren zweiten Wohnsitz ein. Die Kirche | |
wird zur Schlosskirche umgebaut, im Chor eine bemalte Holztonne | |
eingebaut und die Kirche bis 1710 neu ausgestaltet. | |
1862 | Die Wirtschaftgebäude des Klosters werden zum Residenzschloss |
ausgebaut. | |
nach 1945 | Nach der Enteignung der Familie Stolberg-Wernigerode im Rah- |
men der Bodenreform wird der Schlosskomplex als Ferienheim und | |
Hotel genutzt. Die Klosteranlage verfällt. | |
seit 1999 | Die Bauten des bedeutenden Benediktinerklosters werden seit |
1999 intensiv durch die Gesellschaft der Freunde und Förderer des | |
Klosters Ilsenburg e. V. und seit 2000 durch die Stiftung Kloster | |
Ilsenburg gefördert, aufwändig restauriert und schrittweise wieder | |
nutzbar gemacht. |
nach Drübeck, Klosterkirche
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Links und Quellen:
http://www.kloster-ilsenburg.de/
http://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2008/1/im-namen-der-ilse.php
http://www.harzlife.de/harzrand/kloster-ilsenburg.html
Dieter Pötschke: Kloster Ilsenburg: Geschichte, Architektur, Bibliothek
Harz-Forschungen Bd. 19, Lukas Verlag, Wernigerode und Berlin 2004, ISBN 3-936872-14-7
C. Grahmann, F. Högg, R. Schulze: Broschüre Kunstführer Kloster Ilsenburg - Eine tausendjährige Schönheit, 2014, ISBN 978-3-910157-19-4
(1) Puttrich, Ludwig; Geyser, Gottlieb Wilhelm; Lepsius, Carl Peter: Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen, Bd. 2,2; Leipzig 1844-1855,
Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek, Münchener Digitalisierungszentrum
urn:nbn:de:bvb:12-bsb10862803-3
http://www.kloster-ilsenburg.de/
http://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2008/1/im-namen-der-ilse.php
http://www.harzlife.de/harzrand/kloster-ilsenburg.html
Dieter Pötschke: Kloster Ilsenburg: Geschichte, Architektur, Bibliothek
Harz-Forschungen Bd. 19, Lukas Verlag, Wernigerode und Berlin 2004, ISBN 3-936872-14-7
C. Grahmann, F. Högg, R. Schulze: Broschüre Kunstführer Kloster Ilsenburg - Eine tausendjährige Schönheit, 2014, ISBN 978-3-910157-19-4
(1) Puttrich, Ludwig; Geyser, Gottlieb Wilhelm; Lepsius, Carl Peter: Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen, Bd. 2,2; Leipzig 1844-1855,
Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek, Münchener Digitalisierungszentrum
urn:nbn:de:bvb:12-bsb10862803-3