Fassaden, Portale und Kapitelle im Poitou und in der Saintonge (Frankreich)

Pérignac - Fassade, Portale und Kapitelle der Kirche St-Pierre


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St-Pierre in Pérignac
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Straßenbild (oben) und Ortsplan
Pérignac ist eine beschauliche kleine Gemeinde im Departement Charente-Maritim, zwischen Pons und Cognac gelegen. Die Kirche St-Pierre befindet sich etwa in der Ortsmitte. Die Westfassade der Kirche ist wie so häufig figürlich geschmückt, doch sowohl die Aufteilung der Fassade als auch die bildhauerischen Arbeiten können das Prädikat "ungewöhnlich" für sich beanspruchen. Besonders seltsam erscheinen die "Pferdeköpfe" - doch davon später.

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St-Pierre in Pérignac
Die Fassade wird links und rechts durch starke Pfeiler eingefasst. Die Wand gliedert sich in mehrere horizontale Abschnitte und wird oben durch einen Konsolenfries abgeschlossen. Seitlich, in der Nähe der Pfeiler, fallen zwei schmale Schlitze auf. Handelt es sich hier um Schießscharten oder um Lichtschlitze? Ähnliche Wandöffnungen befinden sich auch an der Südseite der Kirche. Möglicherweise handelt es sich tatsächlich um Wehrelemente. Doch schauen wir uns zunächst die oberen Bereiche mit den figürlichen Darstellungen an.


Christi Himmelfahrt

Die obere Wandfläche enthält zentral den aufrecht stehenden Christus in der Mandorla. Christus kehrt die Handflächen nach außen. Zwei auf Wolken schwebende Engel, deren Köpfe leider fehlen, strecken die Hände nach der Mandorla aus und heben sie empor.

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Offensichtlich wird die Himmelfahrt Christi dargestellt. Rechts von Christus (links vom Betrachter) ist eine weitere Figur zu sehen, durch die Asymmetrie wirkt der Fassadenteil unvollständig. Vielleicht war ja auf der anderen Seite eine weitere Figur vorgesehen.

Pferdeköpfe, Tugenden und Laster, Apostel und Maria

Man muss schon genau hinsehen, um sie zu erkennen: Die keilförmigen Steine (außer der zwei unteren) des großen Bogens des zentralen Fensters unter der Christusmandorla tragen tatsächlich Pferdeköpfe!

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Deutlich kann man sogar die Trensen erkennnen. Was mag es mit den Pferden auf sich haben? Kommen die himmlischen Heerschaaren etwa angeritten? Oder genoss das Pferd in der Saintonge besondere Wertschätzung? Immerhin soll es in der Region noch weitere Beispiele von Pferdekopffriesen geben...
Der äußere Archivoltenbogen (über den Pferdeköpfen) trägt ebenfalls Figuren. Links scheint es sich um weibliche Figuren zu handeln (junge Mädchen?) die in der einen Hand etwas tragen (eine Art Beutel? - jedenfalls keine Öllampen). Auf der anderen Seite dagegen scheint es sich um männliche (?) Figuren zu handeln, die ebenfalls etwas in der einen Hand halten (einen Bogen?) und mit der anderen die Scham bedecken.

Der Figurenzyklus besteht aus zwei horizontalen Streifen: Im oberen Register stehen 4 Figuren auf der linken Seite des Fensters und eine auf der rechten Seite, jeweils in Nischen mit Bögen und Säulen. Drei Figuren auf der rechten Seite fehlen, statt ihrer entdecken wir nur unbearbeitete Steinblöcke.

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Bei den Figuren der oberen Reihe soll es sich um Tugendallegorien (abwechselnd männliche und weibliche Skulpturen, die männlichen sind bewaffnet) handeln, die auf den besiegten Lastern stehen. Welche Tugenden dargestellt werden, lässt sich aber wohl nicht mehr feststellen.

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Ein Gesims mit Konsolen oder Kragsteinen trennt die obere Figurenreihe von der unteren. Die Kragsteine sind mit Köpfen, Menschen und Tieren geschmückt. Hier sind Beispiele:

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Maria auf dem Thron
Der zentrale Platz (in der Mittelachse unterhalb des Fensters) der unteren Figurenreihe ist Maria, der Gottesmutter, vorbehalten. Sie sitzt in der breiteren Nische auf einem besonderen Thron und wird auch größer dargestellt als die jeweils sechs Apostel links und recht neben ihr. Leider sind alle Figuren mehr oder weniger stark beschädigt und deshalb nicht eindeutig zuordenbar. Dass es sich hier aber um die Apostel und Maria handelt, passt ikonographisch gut zur obigen Himmelfahrt.
Fragen bleiben trotzdem: die dritte Figur von rechts (im Bild unten die zweite von rechts), könnte auch durchaus ein Kleid tragen und so als Frau identifiziert werden...

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Acht (von 12) Aposteln

Das Westportal

Der untere Teil der Westfassade mit dem Eingangsportal bleibt ohne Schmuck, selbst die sonst häufig anzutreffenden Scheinportale sind nicht vorhanden. Auch das mehrfach gestufte Westportal trägt in den Archivolten keine bildhauerischen Arbeiten.

Pérignac, St-Pierre, Westportal
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Gehen wir hinein...

Kapitelle und Chor

Der Innenraum ist schlicht, trotzdem kann man an den Pfeilern typische romanische Kapitellmotive entdecken.

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Nach Osten wird die Kirche durch Dreiergruppen von schlanken Fenstern abgeschlossen.

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v.l.n.r.: Ostabschluss, Altar und Südfenster

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Die schönen Dreiergruppen der Fenster finden wir bei der Außenansicht von Osten wieder. An der Südwand entdecken wir noch zwei vermauerte Portale und auch die anfangs (bei der Westfassade) erwähnten Lichtschlitze (oder Schießscharten?). Die Kirche wurde im 12. Jahrhundert errichtet und mehrfach umgebaut. Seit 1907 steht sie in Frankreich auf der Liste der "Monuments historique".

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Quellen und Literatur:
(1) Thorsten Droste, Das Poitou, DuMont Buchverlag Köln, 1984, 5. Aufl. 1993, S. 267

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nach Poitiers: Notre-Dame-la-Grande