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Romanische Kapitelle in Toulouse - Teil 2
Romanische Kapitelle im Augustinermuseum in Toulouse (Musée des Augustins)


Vor dem Musée des Augustins
Die Gebäude des ehemaligen Klosters der Augustiner aus dem 14. und 15. Jahrhundert bieten verschiedenen Kunstsammlungen einen prächtigen Rahmen. Darunter befindet sich die beachtenswerte und weltweit sicherlich schönste Sammlung romanischer Kapitelle.

Eingangsportal
Die Kapitelle stammen hauptsächlich aus drei großen, im 18. und 19. Jahrhundert abgerissenenen sakralen Bauten (vor allem von den Kreuzgängen) aus Toulouse: vom Kloster La Daurade, von der Kollegiatskirche Saint Sernin und von der Kathedrale Saint Etienne. Doch sind natürlich ebenso wie die baulichen Gegebenheiten (zum Beispiel der Kreuzgang) auch die anderen Ausstellungen unbedingt sehenswert. Einen Überblick kann man sich auf der Webseite des Museums verschaffen (http://www.augustins.org/home). (Die Webseite diente auch als Quelle für einzelne nachfolgende Informationen.)
Im Musée des Augustins werden nicht nur die Kapitelle aus den drei ehemaligen Toulouser Kreuzgängen ausgestellt, auch einige Stücke aus dem Languedoc oder Hérault haben hier Platz gefunden.
Kapitelle aus dem ehemaligen Kloster La Daurade
Die ursprüngliche Bausubstanz des Benediktinerklosters Notre Dame de la Daurade musste dem Neubau der Kirche und der Schule der Schönen Künste weichen. Das Durade-Kloster war im Mittelalter eng mit der Abtei in Moissac verbunden. Der Name "Daurada" leitet sich aus dem okzitanischen Wort für Gold vom goldenen Hintergrund der Mosaiken her, mit dem die Klosterkirche einst geschmückt war.

Der ungläubige Thomas

aus dem Kloster Daurade,
Anf. 12. Jh., 1. Werkstatt
Etwa die Hälfte der im Museé des Augustins ausgestellten romanischen Skulpturen bzw. Kapitelle stammen vom Kloster Durade, wobei das ikonographische Programm von Cluny beeinflusst ist. Die Abtei Cluny hatte sowohl künstlerisch als auch organisations-politisch (clunyaziensische Reformen) einen dominierenden Einfluss auf das westliche Christentum.
Die Kunsthistoriker unterscheiden bei den Arbeiten aus Durade mehrere Werkstätten bzw. Stilrichtungen:
Die ältesten acht, der ersten Werkstatt angehörenden Kapitelle werden Bildhauern aus Moissac zugeschrieben. Nach Fertigstellung ihrer Arbeiten in Moissac haben die Künstler nach 1100 ihre Tätigkeit in Toulouse fortgesetzt und ihre Erfahrungen und Bildvorstellungen eingebracht.
Die ältesten acht, der ersten Werkstatt angehörenden Kapitelle werden Bildhauern aus Moissac zugeschrieben. Nach Fertigstellung ihrer Arbeiten in Moissac haben die Künstler nach 1100 ihre Tätigkeit in Toulouse fortgesetzt und ihre Erfahrungen und Bildvorstellungen eingebracht.



Das jüngste Gericht, Anf. 12. Jh.
Dafür sprechen die ähnlichen Techniken und Motive, so sind zum Beispiel König David oder Daniel in der Löwengrube Wiederholungen von Arbeiten aus Moissac.
Andere Motive sind neu, so gilt die Darstellung des Jüngsten Gerichts mit den auferstehenden Toten und dem von zwei Engeln im Triumph getragenen Kreuz als früheste ihrer Art.
Andere Motive sind neu, so gilt die Darstellung des Jüngsten Gerichts mit den auferstehenden Toten und dem von zwei Engeln im Triumph getragenen Kreuz als früheste ihrer Art.
Romanische Kapitelle:

Petrus haut dem
Häscher ein Ohr ab

Kapitell mit Ranken
Etwa zwanzig Jahre später lässt sich zwischen 1120 und 1130 eine zweite Werkstatt identifizieren, der 19 Kapitelle zugeschrieben werden. Zwölf davon bilden einen außergewöhnlichen Passionszyklus. Die Künstler schaffen einen neuen Stil: die Figuren sind weniger steif, ihre Bewegtheit schafft Tiefe, der Hintergrund wird präzise gestaltet. Die Anordnung der Figuren und ihre ausdrucksvolle Darstellung bringen dramatische Elemente in die Szenerie.

Roman. Säulenbasis
Die dritte Werkstatt arbeitete etwa ab 1180 an der Ausschmückung des Kapitelsaales und schuf Statuen, Reliefs und Kapitelle. Ihr Stil ist bereits durch die aufkommende Gotik (Frühgotik in der Ile de France) beeinflusst.
Nicht alle Arbeiten lassen sich eindeutig den drei genannten Werkstätten zuordnen. Darunter befinden sich zum Beispiel Kapitelle, bei denen die ornamentalen oder pflanzlichen Dekorationen überwiegen. Im Laufe des 12. Jahrhunderts verschwinden schließlich die figürlichen Darstellungen ganz.
Skulpturen und Kapitelle aus dem Kloster von Saint-Sernin

Verkündigung
Der Bau der Basilika Saint-Sernin begann etwa um 1070, nachdem eine ältere Kirche für die Verehrung des heiligen Saturninus zu klein geworden war. Das aus dem 12. Jahrhundert stammende zugehörige Kloster wurde leider zwischen 1803 und 1808 abgerissen.
Das Augustinermuseum bewahrt bemerkenswerte Schätze von Saint Sernin auf, darunter die beiden berühmten Marmorreliefs der Westfassade (Frauen mit Löwe und Lamm) sowie eine Kollektion von Kapitellen des ehemaligen Kreuzganges. Vier Kapitelle zeigen Löwen, die außerordentlich plastisch geschnitten sind. Eine andere Serie von Kapitellen enthält Löwen, Vögel und andere Tiere, umgeben von Laubwerk.
Das Augustinermuseum bewahrt bemerkenswerte Schätze von Saint Sernin auf, darunter die beiden berühmten Marmorreliefs der Westfassade (Frauen mit Löwe und Lamm) sowie eine Kollektion von Kapitellen des ehemaligen Kreuzganges. Vier Kapitelle zeigen Löwen, die außerordentlich plastisch geschnitten sind. Eine andere Serie von Kapitellen enthält Löwen, Vögel und andere Tiere, umgeben von Laubwerk.
Im Zeichen des Löwen und des Lammes:

Löwe und Lamm

Löwe und Lamm
Die zwei Frauen kreuzen ihre Beine, jeweils ein Fuß ist beschuht... In ihrem Schoß halten sie einen Löwen und ein Lamm. Was mag das bedeuten? Die Inschrift hilft jedenfalls nicht weiter. Sie sagt, dass dieses Zeichen schon zu Zeiten Julius Cäsars geschaffen wurde - der Künstler wollte so die Bedeutung seines Werkes durch hohes Alter vergrößern. Doch die Marmorskulptur gehört eindeutig in die Zeit der Romanik. Sie befand sich ursprünglich mit anderen Bildplatten an der Westfassade von Saint Sernin. Die allegorische Darstellung wird mit den zwei Seiten von Christus in Verbindung gesetzt: das Lamm symbolisiert die menschliche Natur und den Opfergang, der Löwe steht für die Göttlichkeit und Wiederkehr Christi als Richter am Tag des Jüngsten Gerichts.
Noch mehr Kapitelle:
![]() ![]() ![]() | Akrobaten (?) und Tiere zwischen Ranken, St-Sernin, Mitte 12. Jh. |
![]() ![]() ![]() | Kampf der Engel gegen die Mächte des Bösen, St-Sernin, Mitte 12. Jh. |
Kapitelle und Skulpturen aus den Klausurgebäuden der Kathedrale Saint-Etienne

Skulpturenpfeiler

"Hornbläser"
Auch der Bau der Kathedrale Saint-Etienne begann etwa um 1070. Der zugehörige Kreuzgang war mit seinen 42 Metern Seitenlänge der größte im Süden Frankreichs. Er wurde 1799 abgerissen. Einige der Skulpturen und Kapitelle aus den zerstörten Gebäuden werden im Museum Augustin aufbewahrt. Darunter befinden sich auch zwei Kapitelle, auf denen die Parabel von den klugen und törichten Jungfrauen zu sehen sind. Worum geht es? Um die rechte Lebensweise. Die Guten werden eingelassen, die anderen blauben draußen... Die Guten und Klugen sind hier die fünf Jungfrauen, die ihre Lampen rechtzeitig aufgefüllt haben und denen das Licht den rechten Weg weist. So gelangen sie zur Hochzeit, wo der Bräutigam, Christus, sie schon erwartet. Seine Braut ist die Kirche. Sie heißen die klugen Jungfrauen im Königreich des Himmels willkommen. Die törichten Jungfrauen aber vergaßen, ihre Lampen mit Öl zu füllen, sie verirrten sich im dunklen Wald und nachdem sie neues Öl geholt hatten, kamen sie zu spät zur Hochzeitsfeier. Die Tür blieb zu! Bekanntlich wird diese Geschichte im Zusammenhang mit den Weltgerichtsdarstellungen wenig später zu einem der bevorzugten Bilderzyklen (z. B. -->Magdeburger Jungfrauen an gotischen Portalen.
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Törichte Jungfrauen | Die Tür ist zu! | Himml. Brautpaar | Kluge Jungfrauen | Klug (li.) getrennt von Töricht (re.) |
Auch das zweite Kapitell zeigt die Geschichte in ähnlicher Form: Die Törichten stehen vor der verschlossenen Tür, ihre Lampen sind kraftlos herabgesunken. Das himmlische Brautpaar, Christus und die triumphierende Kirche, wendet sich ab - es empfängt eben nur die klugen Jungfrauen... Die halten ihre Lampen hoch.
Das schönste und interessanteste Kapitell im Musée des Augustins (und eines der schönsten und interessantesten der romanischen Zeit überhaupt) ist zweifellos "Das Gastmahl des Herodes und der Tod Johannes des Täufers".
Herodes erträgt die Predigten des Johannes nicht mehr und so sitzt der Täufer gefangen in der Zisterne, während Herodes mit seinem Hofstaat einem üppigen Gastmahl frönt. Salome soll dazu tanzen. Sie will nicht, doch Herodes verspricht ihr, jeden Wunsch zu erfüllen. Jeden? Und Salome tanzt. Und sie wünscht sich ... den Kopf des Johannes, der schließlich auf einem Teller überreicht wird.
Herodes erträgt die Predigten des Johannes nicht mehr und so sitzt der Täufer gefangen in der Zisterne, während Herodes mit seinem Hofstaat einem üppigen Gastmahl frönt. Salome soll dazu tanzen. Sie will nicht, doch Herodes verspricht ihr, jeden Wunsch zu erfüllen. Jeden? Und Salome tanzt. Und sie wünscht sich ... den Kopf des Johannes, der schließlich auf einem Teller überreicht wird.

Salome vor Herodes: "Tanz für
mich!"

In mehreren sich überschneidenden Bildern wird (bei äußerst begrenztem Platz an dem Kapitell) die Geschichte erzählt. Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung des Herodes und der Salome.
Salome tanzt vor Herodes (und wie sie vor ihm tanzt!) - er fasst ihr begehrlich ans Kinn. "...Bei einem cluniaziensischen Kreuzgang ist klar, welche Art von Lektion diese Bilder vor allem predigen sollen... Aber nichtsdestoweniger (oder gerade umso mehr) sagt die tanzende Salome in ihrem enganliegenden und zugleich fließenden Kleid, mit dem die antike Vestiplicae(*) den Körper der judäischen Prinzessin nicht besser in Szene hätten setzen können als der cluniaciensische Bildhauer, über die Schönheit dasselbe wie zur gleichen Zeit Bertran de Born (über Mathilde Plantagenet, Herzogin von Sachsen): (...) 'ihr schlanker, zarter, frischer, glatter Körper, dem das Gewand nur allzugut steht...' "(1)
Salome tanzt vor Herodes (und wie sie vor ihm tanzt!) - er fasst ihr begehrlich ans Kinn. "...Bei einem cluniaziensischen Kreuzgang ist klar, welche Art von Lektion diese Bilder vor allem predigen sollen... Aber nichtsdestoweniger (oder gerade umso mehr) sagt die tanzende Salome in ihrem enganliegenden und zugleich fließenden Kleid, mit dem die antike Vestiplicae(*) den Körper der judäischen Prinzessin nicht besser in Szene hätten setzen können als der cluniaciensische Bildhauer, über die Schönheit dasselbe wie zur gleichen Zeit Bertran de Born (über Mathilde Plantagenet, Herzogin von Sachsen): (...) 'ihr schlanker, zarter, frischer, glatter Körper, dem das Gewand nur allzugut steht...' "(1)
(*) jemand der das Kleid faltet und zusammenlegt, hier: anpasst
(1) Jan Rüdiger: Aristrokraten und Poeten, Die Grammatik einer Mentalität im tolosanischen Hochmittelalter, Akademie Verlag Berlin 2001, S. 118
Diese Geschichte hat Künstler bis in die Gegenwart fasziniert. Bekannt ist das Drama von Oskar Wilde, das von Richard Strauss als Vorlage für seine in Dresden uraufgeführte Oper Salome diente. Lesen Sie nachfolgend einen Auszug:
Quelle der Informationen zu einzelnen Kapitellen: Musée des Augustins, Toulouse,
Webseite: http://www.augustins.org/home
Webseite: http://www.augustins.org/home

in die Saintonge, ins Poitou und Angoumois, nach Angoulême