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Romanische Portale und Kapitelle in Süditalien (Apulien)
Portale und Kapitelle der Basilika San Nicola in Bari
Statue des Hl. Nikolaus
San Nicola, Westfassade
Was haben die Mauern dieser Stadt nicht schon alles gesehen: Im Februar 1002 reiste eine byzantinische Prinzessin an (leider verschweigen die Quellen ihren Namen, was Historiker zu Forschung und Autoren zu herrlichen Spekulationen anregt), um von ihrem künftigen Gemahl in Empfang genommen zu werden - doch sie wusste nicht, dass ihr junger Bräutigam Otto III., römisch-deutscher Kaiser, kurz zuvor gestorben war und der Leichnam sich schon auf dem Rückweg über die Alpen befand... 1071 eroberten Normannen die Stadt und vertrieben die Byzantiner, doch 1087 gelang den Baresen ein besonderer Coup: sie holten sich die Überreste des Hl. Nikolaus von Myra in ihre Stadt und bauten um die Reliquie eine große Kirche. Der insbesondere im Osten verbreitete Kult des hochverehrten Hl. Nikolaus hatte sich, gefördert durch Theophanu, Mutter des unglücklichen Ottos III., schon weit in den westlichen Landen verbreitet. Bari war ein MUSS für alle Kreuzritter. Die Basilika San Nicola wurde zur Wallfahrtstätte - schier endlos ist die Liste der Besucher (1).
Die Westfassade wird von zwei Türmen flankiert, die möglicherweise noch vom Palast des byzantinischen Statthalters stammen (es musste damals alles sehr schnell gehen, die Kirche wurde in einen Gebäudekomplex hineingebaut). Die sparsame Gliederung der Fassade durch Lisenen und Blendbögen ist streng und harmonisch. Das Hauptportal wird von Säulen flankiert, die seltsamer Weise von Stieren (oder Ochsen) getragen werden anstelle der sonst üblichen Löwen. Sie hatten ursprünglich Hörner, wie die Löcher in ihren Köpfen nahelegen.
(1) Bedeutende Besucher:
Sphinx
Am linken Türpfosten (der wird von Atlanten gestemmt) wachsen Ranken aus einer Vase, am rechten Türpfosten entsprießt das Rankenwerk dem Maul eines Hirsches. Zwischen den Ranken lassen sich seltsame Wesen und bewegte Szenen entdecken: Vögel, Fabeltiere (u. a. Zentauren), Ochsen ziehen einen Karren, ein Mann mit Beutel reitet auf einem Einhorn ... Ein normannischer Ritter (erkennbar am nach unten spitzen Schild) kämpft gegen zwei Krieger mit runden Schilden, einer ist schon besiegt... Im Tympanon befindet sich ein Relief des hl. Nikolaus, byzantinisch muten in den Zwickeln die geflügelten Engel an. An der obersten Spitze thront eine Sphinx, sie steht für Geheimnis und Unerforschlichkeit...
Die beiden Portalsäulen tragen einen baldachinartigen Aufbau, dessen Bogen ebenfalls phantasievoll geschmückt ist. Im Scheitel des Bogens wird eine Sonnenquadriga dargestellt, ein König hält die Sonnenscheibe in der rechten, die Siegespalme in der linken Hand. Flechtmuster und Löwenköpfe zieren den äußeren Streifen. Wird so der Enthusiasmus der normannischen Eroberungen ausgedrückt?
Das Löwenportal - Torre dei Leoni
An der Nordfassade von San Nicola befinden sich zwei weitere Portale, darunter das Löwenportal in unmittelbarer Nähe des Turmes. Zwei mächtige Löwen tragen die Säulen zu beiden Seiten des Portals, über denen sich wiederum ein reichgeschmückter Bogen erhebt. Über den Kapitellen sind links und rechts zwei Männer bei ihren Tätigkeiten zu erkennen, der eine schneidet Getreide mit seiner Sichel, der andere stutzt offenbar einen Baum. Der äußere Bogen ist an der Frontseite mit einem Palmettenfries, im Innern mit Fabelwesen geschmückt. Besonders interessant ist jedoch die innere Archivolte, zeigt dieser Bogen doch eindeutig Ritter, die sich anschicken, ein Kastell oder eine Stadt zu erobern.
Detail am Löwenportal
Eine solche Darstellung von normannischen Rittern an einer Kirche ist wohl ziemlich einmalig. (Nur am Dom zu Modena gibt es ähnliches). Vielleicht besteht ein Bezug zu den Kämpfen im Jahr 1098 um Antiochia durch die Kreuzritter, bei der der normannische Herzog von Apulien Bohemund eine wichtige Rolle spielte. Immerhin soll Bohemund der Basilika das Zelt des Feldherrn Kerbogha geschenkt haben, über dessen Heer er vor Antiochia den alles entscheidenden Sieg errang.
Die Archivolte über den Rittern (äußerer Bogen innen) wird von allerlei Fabelwesen und Getier besetzt:
Die Archivolte über den Rittern (äußerer Bogen innen) wird von allerlei Fabelwesen und Getier besetzt:
Kapitelle und Konsolen in San Nicola
Geradezu majestätisch wirkt das Innere der dreischiffigen Basilika, der Eindruck wird durch die zwölf Granitsäulen und die im Mittelschiff (aus statischen Gründen) eingezogenen Bögen noch verstärkt. Bei den aus dem 11. oder Anfang des 12. Jh. stammenden Kapitellen wird "ihre byzantinische Herkunft klar durch die typische Blumenformen und besonders durch die feine Ausarbeitung der dornigen Akanthusblätter. Man spricht von pseudokorinthischen Kapitellen, weil sie die Einfachheit der korinthischen Kapitelle beibehalten, aber doch Elemente aus der christlichen mittelalterlichen Architektur einfügen, besonders aus der syrischen, z. B. die mehr oder weniger langen Stiele oder Kelche, aus denen die oberen Blätter empor blühen." (1)
Von den herausragenden Kunstschätzen sollen an dieser Stelle nur zwei erwähnt werden:
Das Ziborium über dem Altar aus der Zeit um 1110-1120: Vier Säulen mit wunderbaren romanischen Kapitellen tragen einen Baldachin. Bei einem Kapitell besetzen krummschnäbelige Vögel die Ecken, vier Bocksköpfe ragen zwischen den Blättern hervor. Heute lässt sich die Tiersymbolik nicht mehr klar deuten - da kommen einem die kleinen Engel mit ihren großen Flügeln auf dem anderen Kapitell doch irgendwie freundlicher vor!
Thron des Elias
Schwere Last...
Ein weiterer Höhepunkt der Ausstattung ist der Bischofsthron (die Kathedra) des Elias: Er wurde in den 1090er Jahren von einem Meister geschaffen, der mangels Namensüberlieferung Elias-Meister genannt wird. Der Sitz wird von kleinen Stützen und vorn von drei Figuren getragen. Der Meister zeigt die ungeheure Kraftanstrengung der beiden Eckfiguren: ihre Gesichter sind vom Schmerz verzerrt, ihre Kniee gebogen, die Schultern krumm. Dagegen wirkt die mittlere Figur beinahe fröhlich mit ihrem Pilgerstab, hoffnungsvoll wendet sie ihren Blick nach oben. Zwei kleine Löwen tragen die Fußstütze.
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Quellen:
(1) Gerardo Cioffari o. p., Die Basilika St. Nikolaus, Führer durch Kunst und Geschichte, herausgegeben von den Dominikanern an der Basilika, 2009, Übers. aus dem Ital.
Ekkehard Rotter, Apulien, DuMont-Kunstreiseführer, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2012
(1) Gerardo Cioffari o. p., Die Basilika St. Nikolaus, Führer durch Kunst und Geschichte, herausgegeben von den Dominikanern an der Basilika, 2009, Übers. aus dem Ital.
Ekkehard Rotter, Apulien, DuMont-Kunstreiseführer, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2012
Matera