Romanische Portale und Kapitelle in Süditalien (Apulien)


Portale und Kapitelle der Kathedrale "San Valentino" in Bitonto

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Kathedrale San Valentino in Bitonto
Bitonto hat etwa 57000 Einwohner und ist 18 km von Bari entfernt. "Die Kathedrale, (ist) ein betörender Akkord romanischer Stilformen und die Vollendung dessen, was im Bareser Archetyp entwickelt worden war". (Ekkehard Rotter)
Zwei Säulen flankieren das Hauptportal an der Westfassade. Die beiden Säulen werden von Löwen getragen, die im Laufe der Zeit ihren Schrecken verloren und leider arg gelitten haben. Die armen Bestien büßten die Vorderbeine ein und sind wahrscheinlich durch Generationen von Kindern "rundgeritten" worden? Umso besser erhalten sind dafür oben auf den Säulen die "Greife" (s. u.), die in ihren Klauen ein Lamm und eine Ziege festhalten. Auf dem Scheitel des obersten Bogen steht ein Pelikan, das Symbol für den sich opfernden Christus.

Das Hauptportal der Kathedrale


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Löwen und Greife*)

*) Bei den großen vogelähnlichen Skulpturen (um 1200) oben handelt es sich nicht um die Darstellungen eines klassischen Greifs - dieser ist üblicherweise aus einem geflügelten Löwenleib mit Adlerkopf gebildet - sondern um ein "Mischwesen", eine "Chimäre". In der Terminologie der Altertumskunde ist "Chimäre" der Sammelbegriff für alle möglichen Abwandlungen des klassischen Greifs, hier in Bitonto kann man deutlich einen schuppigen Leib (ein "Federkleid") statt eines Löwenfells erkennen. (nach einem Hinweis von H. Gans, Leipzig)

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Im Tympanon wird der engültige Sieg über das Böse thematisiert: der "Erlöser" (mit einem Doppelkreuzstab) hat Adam am Handgelenk gepackt und zieht ihn zu sich, gefolgt von Eva und einer weiteren Figur. Christus holt die Vorväter und Ureltern aus der Vorhölle. Auf der anderen Seite stehen - jeweils mit Kronen auf dem Haupt - König David mit seiner Harfe und König Salomo. Bei der Figur dazwischen gehen die Meinungen auseinander ... Eindeutig ist dagegen der Türsturz, denn auf dem Architrav sind die Figuren beschriftet. Von links nach rechts sieht man: Erzengel Gabriel verkündet Maria die Schwangerschaft, Maria besucht Elisabeth und bespricht die Sache, die drei Könige Kaspar, Balthasar und Melchior erscheinen vor dem Jesuskind und Maria, und schließlich wird der kleine Jesus im Tempel dargebracht und von Simeon in Empfang genommen.

Tympanon und Architrav des Hauptportals
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Die Figuren des Tympanons sind in einer seltsam unsicheren Körperhaltung dargestellt, die Gewandbehandlung wirkt merkwürdig "teigig". Dafür ergießt sich über die Bögen und Seiten der Portalrahmung wieder die ganze Fülle der romanischen Fantasiewelt - Akanthusblätter, Ranken, Blüten, Fabelwesen, Drachen, Sirenen, Nixen mit einem und mit zwei Schwänzen, Tier- und Menschengestalten.

Details am Hauptportal
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An der Kathedrale befindet sich eine Informationstafel (Ministero per i Beni e le Attivita Culturali), auf der das Bauwerk in italienischer und englischer Sprache beschrieben wird. Nachfolgend ist der englische Text wiedergegeben:

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Informationstafel an der Kathedrale:
"The Cathedral of Bitonto, built during the second half of the XIIth cent., is one of the most beautiful Romanesque constructions in Puglia. The main facade comprises all the characteristic features common to Mediaval churches. Divided into three sections by pillars it has three finely decorated doorways; the central one is flanked by two lions holding up columns with sculpted capitals and griffins above, which, in turn, support the arch span decorated with thorny acanthus leaves. In the lunette are depicted "The Triumph of Christ over Death" and "The Liberation of the Prophets". Above the arched vault, finishing off the decorations, is the figure of an eagle or, as some would have it, a pelican with its wings outspread. A floor-dividing ledge divides the lower section of the facade from the upper one which contains two lovely double bay windows in line with the doorway. Higher up sits a very fine rose window with sixteen spokes bearing the figure of a horse griffin at the top of its aarch vault. The upper section of the facade is surrounded by hanging arches running along the entire cornice. Some incomplete elements such as the pilasters and the arch form over the central doorway would suggest that an earlier design may have existed, that was never fully translated into reality. Also of interest are the other facade and in particular the one on the South side that features six large round arches and an elegant little loggia with slim columns and capitals that are all different from one another. Above the pillars standing between the arches there are sculptures of the four Evangelists and of the Virgin Mary. The interior is austere and sober; there are not many iconographical decorative works but some "pieces" of sculpture are of very fine craftsmanship; the groundplan is of the Latin cross form (positioned along an East to West axis) and is divided into three naves with pillars with columns resting against them, surmounted by exquisit capitals with mythological and floral motifs, from which span the rounded arches and the matroneum with hexaphore above. The side walls are pierced with four single bay windows on each side through which light filters into the interior. The transept is entered through a triumphal arch; it is raised up on three steps and encloses the central apse where the main altar stands. The baptism font is probably attributable to the School of Nicolaus and comprises a single block of stone decorated with twining vines and palms, and resting on a lily patterned base is the pergamo, finely carved and created in the XVIIth cent. wwith material taken from the ciborium and from the pulpit. The pulpit itself is a marvellous work by Nicolaus Magister, as may be read on the back of the lectern, was reshaped in the XVIIIth cent.; the front is divided into squares with small rose motives in the centre and is supported by XVIIIth cent. columns. Its highly effective sculptural decoration may be amired in such details as the eagle that supports the reading lectern and the relief of the balustrade of the staircase. To the sides of the main doorway stand the mausolei of Mons. Cornelio Musso (1554-1571), one of the fathers of the Council of Trent and of Bishop Giovanni Barba (1737-1749). The crypt is the same size as the transept and is divided into four naves by columns taken from earlier constructions, with beautiful capitals. Also of interest is the mausoleum of Giovanni Maria De Ferrariis, a work crafted by the Neapolitan sculptor Gerolamo D'Auria to a commission of 1580."
Informationstafel an der Kathedrale von Bitonto, engl. Text


Das Innere der Kathedrale zeigt den harmonischen Charakter einer apulisch-romanischen Basilika: Es ist ein sechsjochiges Langhaus mit Triumphbogen zum Querhaus, welches vier Stufen über dem Niveau der drei Kirchenschiffe liegt und durch drei hohe Apsiden abgeschlossen wird. Unter dem Querhaus befindet sich die ausgedehnte Krypta. Die Säulen des Langhauses tragen Kapitelle an denen hauptsächlich Akanthusblätter vorkommen, doch es lassen sich hier Greife, Affen, Löwen und allerlei Fabeltiere entdecken.

Bitonto, im Innern der Kathedrale
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Ein Kapitell zeigt den sogenannten "Alexanderflug": Alexander der Große sitzt in einem Wagen und wird von Greifen emporgetragen.

Kapitelle im Langhaus
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Die Krypta

Steigt man die Treppe zur Krypta hinab, verschlägt es einem fast den Atem: Ein Wald von dreißig antiken Säulen bildet die Unterkirche, den gesamten Raum des Querhauses einnehmend.

Krypta
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Die Säulen wurden einem alten Minervatempel entnommen, Höhe und Durchmesser variieren. Die Krypta entstand in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, der ersten Bauphase der Kathedrale. Akanthus- und andere Blätter, Löwen, Adler und natürlich Fabelwesen zieren die schönen romanischen Kapitelle der Säulen ...

Kapitelle in der Krypta
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Am linken Treppenabgang zur Krypta stützt eine Konsolfigur die Säule. An der Säule selbst erinnert die zweite Figur an die Legende des "Colapesce", des "Fischmenschen", der einst vor Sizilien im Meer lebte und die schiffbrüchigen Matrosen an Land getragen haben soll. Friedrich II. stellte ihn auf die Probe und warf einen goldenen Becher in die reißende Flut. Doch als er den Versuch noch zweimal wiederholte, blieb Colapesce für immer im Meer, das so sein Grab wurde. Andere sagen, dass er beim dritten Versuch sah, dass Sizilien von drei Säulen gestützt wurde und eine wegzubrechen drohte. Damit Sizilien nicht im Meer versinkt, stützt seitdem Colapesce die Insel  (Wikipedia u. a.)

Konsolfigur und "Fischmensch"
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Von den Ausstattungsstücken der Kathedrale soll hier nur die Kanzel des Meisters Nicolaus Erwähnung finden. Der Kanzelkorb am südlichen Vierungspfeiler ruht auf zwei Säulen, an seiner Vorderseite stützt eine männliche Figur einen Adler, der wiederum das Pult trägt. Figur und Adler symbolisieren die Evangelisten Matthäus und Johannes, während Löwe und Stier an den Seiten der Kanzel für Markus und Lukas stehen. Der Kanzelaufgang zeigt ein Relief mit vier aufsteigenden Figuren, die mit dem staufischen Herrscherhaus verknüpft werden.

Meister Nicolaus: Kanzel
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Die linke Figur, mit Krone und Lilienzepter auf dem Thron sitzend, wird üblicherweise als Friedrich I. Barbarossa identifiziert, der die Herrscherwürde an Heinrich VI. weiterreicht. Dieser streckt auch gleich die Hand aus... Es folgen Friedrich II. mit der Krone Jerusalems auf dem Haupt und ein noch jugendlicher Konrad IV. Zu Füßen befindet sich Phönix, ein Symbol der Unsterblichkeit.
Auch wenn die Deutung nicht unumstritten ist und auch nicht alles aus einer Hand stammen mag, keinen Zweifel lässt die Inschrift auf der Vorderseite über die Entstehungszeit 1229 und den Namen des Meisters Nicolaus.

Die Südfassade: Kapitelle, Konsolen, Köpfe

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Die Südseite wird beherrscht vom großen Querhaus, den sechs großen Bogenarkaden, aber vor allem von der Galerie, die mit ihren Hexaforien ein einzigartiges Beispiel der apulischen Romanik bietet. Die Sattelkapitelle der Galeriesäulen zeigen bizarre menschliche Wesen und phantastische Tierfiguren, oberhalb der Bögen schauen die Köpfe der Konsolen auf das Treiben auf der Piazza Cattedrale.

Südfassade der Kathedrale
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Kapitelle der südlichen Galerie
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Das leicht spitzbogige Portal an der Südseite ist mit einem Zickzackmuster geschmückt, im Tympanon befindet sich die Figur des siegreichen Christus. An den Arkadenpfeilern der Südseite finden sich die Symbole der Evangelisten und der Jungfrau Maria mit dem Kind. Die Figuren werden dem 12. Jahrhundert zugeschrieben, das Portal soll dagegen aus dem 14. Jahrhundert stammen. Es trägt auch die Bezeichnung "Portale della Scomunica", denn hier wurde die Bannbulle verlesen und die Exkommunizierung verkündet.

Portal und Figuren an der Südseite
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Quellen:
Antonio Castellano, Michele Muschitiello, Die Kathedrale von Bitonto, Übers. aus dem Ital., Broschüre ohne Jahresangabe
Ekkehard Rotter, Apulien, DuMont-Kunstreiseführer, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2012

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zu San Leonardo di Siponto