Romanik in Nordspanien entlang des Pilgerweges
Südportal und -fassade der Kirche Santa Maria la Real in Sangüesa
Auf dem "Camino de Santiago" - dem Jakobspilgerweg in Nordspanien - sollte man sich richtig viel Zeit nehmen, sonst läuft (oder fährt) man vielleicht an einigen großartigen Portalen einfach vorbei ... So liegt in Sangüesa (sprich: Sang-u-esa) die Kirche Santa Maria la Real mit ihrer Südseite direkt am Jakobsweg, der hier eine Durchgangsstraße ist. Um das phantastische Portal mit seinen einmaligen Figuren zu bewundern, sollte man tunlichst ein paar Schritte von der Hauptstraße heruntergehen; zum Glück gibt es eine genau im rechten Winkel auf die Fassade stoßende Querstraße, wo man genügend Muße zum Betrachten der vielschichtigen Portalfassade hat.
Gewändefiguren
" drei Marien"An dem eigentlichen Portal fallen sofort die überschlanken Gewändefiguren auf. Es handelt sich dabei auf der linken Seite um Maria Magdalena (links außen), Maria, die Mutter Jesu (links mitte) und Maria Salome, die Mutter der Apostel Jakobus und Johannes (links innen). Die säulenartigen, im Halbrelief ausgearbeiteten extrem schlanken und "durchgeistigten" Körper legen den Vergleich zu ähnlichen Skulpturen in Chartres nahe.
Petrus, Paulus, Judas
Petrus, Paulus, JudasAuf der rechten Gewändeseite ist die Zuordnung durch den schlechteren Erhaltungszustand nicht ganz eindeutig. Die Figuren rechts an der Tür werden allgemein als Petrus und Paulus gedeutet, die Figur rechts außen ist durch eine Inschrift als Judas mercator (als Judas, der Christus für dreißig Silberlinge verkaufte) kenntlich. Auch der Strick, an dem er sich nach seinem Verrat aufknüpfte, ist sichtbar. Die Darstellung des Verräters Judas an dieser exponierten Stelle, die eigentlich den Aposteln oder Heiligen vorbehalten ist, stellt eine Besonderheit dar.
Maria Magdelena
Maria
Maria SalomeAuf der Tafel, die Maria, die Mutter Christus, in ihren Händen hält wird der Name "Leodegar" in der Inschrift MARIA MATER XPI LEODEGARIUS ME FECIT (Maria Mutter Christi Leodegarius hat mich gemacht) genannt. Möglicherweise kam ja Leodegar aus Burgund oder er kannte die großartigen Portale von Chartre; jedenfalls muss es damals bereits einen regen künstlerischen Austausch gegeben haben. Die Himmelskönigin Maria trohnt ebenfalls mit ihrem Kind ein zweites Mal im unteren Teil des Tympanons inmitten der Apostel.
Die Gewändesäulen werden mit Kapitellen abgeschlossen, die u. a. Szenen aus dem Leben Jesu, Häuser (eine Stadt?) sowie Pflanzenornamente darstellen. Grausig ist dagegen die rechte Portalkonsole: Eine höllische Bestie verschlingt drei Sünder ...
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Portalkonsole: Bestie | und Kapitelle am Gewände |
Tympanon und Archivolten
Den oberen und Hauptbestandteil des Tympanons bildet jedoch das Weltgericht: Der Weltenrichter Christus befindet sich im Zentrum, um ihn herum werden die Posaunen geblasen. Dicht drängen sich die auferstandenen Menschlein aneinander, der Erzengel Michael betätigt seine Seelenwaage. Die guten Seelen (stellvertretend drei kleine Menschlein links vom Erzengel) werden in das Paradies geleitet; die Bösen, die die Prüfung nicht bestanden haben (stellvertretend zwei rechts vom Erzengel), müssen ewige Qualen und Strafe erwarten, sie werden direkt der ewigen Höllenpein zugeführt ... Die Hölle ist rechts außen durch mehrere teuflische Köpfe dargestellt.
Die Portalbögen, die Archivolten, sind über und über mit Figuren versehen: Propheten und Heilige, Fabelwesen, Tiere und Monster, die offenbar alle Zeugen des Geschehens sind.
Es ist eine unglaubliche Fülle an Gestalten, die die mittelalterlichen Künstler hier ausbreiten. Und bei näherem Hinsehen kann man immer wieder etwas Neues - auch abschreckendes - entdecken.
Archivolten, rechte Seite
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Insgesamt sind in den Kehlen der fünf Archivoltenbögen 84 verschiedene Figuren angebracht. Sie stehen oder sitzen auf kleinen Podesten und folgen dem Verlauf der Bögen. Einige Figurentypen kommen mehrfach vor, so z. B. ältere Männer, die Bücher oder Schriftrollen in den Händen halten, manchmal auch die Hände zum Gebet aneinanderlegen. Handwerker sind zu erkennen (z. B. Schuster), Akrobaten, Pilger, ein Bischof mit seinem Krummstab, Ritter, Musiker. An drei Stellen sieht man Frauenfiguren, die von Schlangen und Kröten angegriffen werden: Es ist eine häufig vorkommende Darstellung der Luxuria, der Wollust. Die Schlangen haben sich an den Frauenkörpern mehr oder weniger festgebissen.
Archivolten, oben (rechts)
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Zwickelbereich und Pfeiler
Im Zwickelbereich links und rechts der Türbögen ist dagegen der Skulpturenschmuck deutlich anders geartet: ornamentales Flechtwerk ist ebenso vorhanden wie diverse Fabeltiere und allerlei seltsame Figuren. Erkennbar sind zwei Männer, die miteinander ringen, Reiter, ein Drachentöter, ein Schmied ... Die Fülle der Figuren ist absolut beeindruckend!
Figuren an den Pfeilern und in den Zwickeln
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Allein auf der linken Zwickelseite sind 28 verschiedenene Objekttafeln mit Skulpturen auszumachen, leider einige davon stark beschädigt. Von links oben beginnend nach rechts sieht man: ein Basilisk (ein Mischwesen aus Schlange und Vogel), ein Drachenpaar,
Schlange frisst Frau - "Luxuria"ein geflügelter Stier, ein Schuster, eine Darstellung der Luxuria (hier ist die Frau schon halb von der Schlange verschlungen), ein Knoten, ein Reiter mit besiegtem Gegner, eine sitzende Frau, Adam und Eva vor dem Sündenfall, ein sitzender Engel, zwei ringende Männer, ein Vogel, der schlafende Joseph und die Heimsuchung, die Verkündigung und die Krönung, verschiedene Frauen (stehend, sitzend, tanzend, ...), mehrere Männer (einer mit Schwert?, einer mit Dolch, einer sitzend, ...), ein Pferd (ohne Reiter) und verschiedene andere Tiere. (nach Beatrix Müller (1))
Figuren im Zwickel, links
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Im rechten Zwickel sind ebenfalls eine Fülle von Figuren dargestellt: verschiedene Mischwesen (Vogelgreife, Harpyien, Drache, ... ), ein geflügelter Löwe, mehrere Vögel. Auffällig sind ein Ritter mit seinem Schwert und möglicherweise derselbe Ritter noch einmal, wie er gegen einen Drachen kämpft. Seine linke Hand ist bereits im Drachenmaul verschwunden, doch mit der rechten holt er zum tödlichen Streiche aus und bohrt sein Schwert in den Hals des Untiers.
Unter dieser Kampfszene kann man einen Schmied erkennen, der kräftig mit seinem Hammer auf den Amboss haut. Schmiedet er etwa das Schwert des obigen Ritters? Stehen die Figuren vielleicht im Zusammenhang mit der Sage von Sigurd, dem Drachentöter? Diese These wird in der Kunstgeschichte kontrovers diskutiert. (1)
Figuren im Zwickel, rechts
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Knoten und 5 Jungfrauen ?Links und rechts von den Zwickeln sind an den Pfeilern weitere Figuren angebracht, deren Deutung durchaus nicht einfach ist. Auffallend auf der rechten Seite sind vor allem ein Monster, das einen Menschen verschlingt, eine kleine Gruppe von vier männlichen Personen und die Darstellung von fünf Frauen, die kleine Gefäße halten. Das könnten vielleicht die fünf klugen Jungfrauen sein. Oder sind es die Törichten? Die Geschichte von den klugen und törichten Jungfrauen würde jedenfalls gut zu der Weltgerichtsthematik passen.
Das obere Apostolado
Den Abschluss des Figurenprogramms bilden im oberen Bereich der Fassade zwei Arkadenreihen, die das Thema des Jüngsten Gerichts noch einmal aufgreifen. Christus wird natürlich im Zentrum dargestellt, doch stilistisch auffällig sind bei den Figuren diesmal die vorgewölbten Augen, wie sie auch an den Kapitellen des Klosters San Juan de la Pena vorkommen. Vielleicht waren die Figuren ja ursprünglich woanders angebracht?
(1) Quelle und zum genaueren Nachlesen empfohlen:
Beatrix Müller, Santa María la Real, Sangüesa (Navarra). Die Bauplastik Santa Marías und die Skulptur Navarras und Aragóns im 12. Jahrhundert. Rezeptor, Katalysator, Innovator?, Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät III, 1997
Die Arbeit ist ist veröffentlicht als Digitale Dissertation, Abstract: http://edoc.hu-berlin.de/docviews/abstract.php?lang=&id=10146
Bd. 1 und 2 sind als pdf-Dokument verfügbar unter: http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/mueller-beatrix-1997-09-22/PDF/mueller.pdf
Beatrix Müller hat in ihrer Dissertation das Portal eingehend untersucht. Nachfolgend ist der Textabschnitt 5.2 ihrer Arbeit, der die Bauplastik des Portals beschreibt, hier vollständig wiedergegeben. Die Anmerkungen, Literatur- und Abbildungsverweise wurden jedoch entfernt, für den interessierten Leser sei deshalb auf die Originalschrift verwiesen.
"5.2. Die Bauplastik
Den Kern des Portals, das sich an der Südwand Santa Marías öffnet, bilden das Tympanon und der Türsturz .... Die fünf figürlich belegten Archivolten umschließen sowohl das Tympanonrund als auch den Türsturz, der mehr als das untere Drittel des Bogenfeldes einnimmt. Die Seiten des Türsturzes schließen nicht gerade ab, sondern sind der Bogenführung der Archivolten folgend abgerundet bzw. werden von der inneren Archivolte beschnitten. Dadurch verschmilzt der Türsturz mit dem Tympanon zu einem großen Bogenfeld und ist diesem nicht, wie auf vergleichbaren Portalen zu sehen, als gerade Verlängerung und eigenständiges längsrechteckiges Bauelement angefügt.
Allein die betonte Horizontale und die Reihung der von Arkaden eingefaßten Figuren auf dem Türsturz setzen ihn als eigenständiges Element innerhalb des Bogenfeldes ab. Der obere Teil, das eigentliche Tympanon, besteht aus drei großen Steinplatten, von denen sich die mittlere dem leicht angespitzten Bogen der Archivolten anpaßt.
Auf der mittleren, hochrechteckigen Steinplatte des Tympanons wird die riesige Gestalt Christi gezeigt, die vier posauneblasende Engel umgeben. Die monumentale Christusfigur, die mehr als doppelt so hoch ist wie die anderen Figuren des Tympanons, durchragt beherrschend die gesamte Tympanonscheibe. Auf der rechten Steinplatte drängen sich in dem oberen Register acht nackte Menschen. Es sind die zum Gericht Auferstandenen (s.u.). In dem unteren Feld wird der Erzengel Michael mit der Seelenwaage gezeigt, der das Gericht am Ende der Tage vollzieht (...). Stellvertretend für die guten und die schlechten Taten der Menschen befindet sich auf den Waagschalen ein Vogel und ein Stapel Bücher. Christus ist also im Zentrum des Tympanons als Richter anzusprechen, der gekommen ist, um die Menschheit - stellvertretend in den rechts und links neben ihm aufgereiht stehenden Männern und Frauen dargestellt - zu richten.
Drei bekleidete Menschen zu seiner Rechten haben die Prüfung durch das Gericht bestanden und können dem zu imaginierenden Paradies entgegengehen. Das Paar, das sich rechts des Erzengels befindet, aber wird abgeurteilt. Beide stehen nackt in der Hölle, die aus mehreren teuflischen Köpfen mit Flammenhaar und zahnbesetzten Mäulern gebildet wird, und müssen ewige Qualen erleiden. Der Türsturz ist in einem Stück, aus einem Steinblock, gearbeitet. Er wird auf seiner gesamten Länge von den zwölf nebeneinander stehenden Aposteln und der thronenden Muttergottes mit dem Kind auf ihrem Schoß in der Mitte besetzt. Jede einzelne Figur ist von einer Arkade eingefaßt. Die Arkaden über den Aposteln haben in etwa die gleiche Breite. Der Bogen über Maria und dem Kind ist dagegen sehr viel weiter auseinandergezogen; die begrenzenden Säulen müssen dem ausladenden Thronsitz zu den Seiten hin weichen, als würden sie von ihm auseinander gesprengt. Somit ergibt sich über die gesamte Länge des Steinblocks eine fortlaufende Reihe von Bogenstellungen mit darunter stehenden Einzelfiguren. Die Säulen zwischen den Aposteln sind individuell gestaltet, aus zwei Bändern gewunden, im Zick-Zack geführt, schlicht belassen oder mit einem diagonalen Muster überzogen.
84 Figuren, auf fünf Archivoltenbögen verteilt und durch verschieden gestaltete Ornamentstreifen voneinander abgesetzt, belegen den angespitzten Bogen, der das Tympanon und den Türsturz umfaßt (...). Die einzelnen Figuren - Männer, Frauen, Tiere, Mischwesen - liegen longitudinal, dem Verlauf der Archivolte folgend, in einer Kehle.Sie blicken frontal herab, sind also nicht durch Blickrichtung oder Gesten auf das Tympanon bezogen. Nur die Tiere werden in Rückenansicht und nicht wie die anderen Skulpturen Santa Marías von der Seite gezeigt. In dieser Position drehen sie den Kopf weit zurück und schauen von der Fassade.
Die Archivolten folgen in den Vor- und Rücksprüngen der Gewändeabstufung. Sie bilden aber nicht exakt die Fortsetzung der Gewändegliederung, und nicht alle fünf Archivolten sind die Verlängerung der Säulen. Nur die Archivolten II, III und IV liegen über den vorstehenden Kämpferecken. Der Bogen IV bildet die Verlängerung der schmalen Zwischensäule. Die innerste Archivolte (I) ist weiter nach rechts verschoben und hat keinerlei Verbindung mit dem Gewände. Für sie wurde an der rechten Portalseite in Verlängerung des Kämpfers ein kleiner Sockel angebracht.
Die Leserichtung der Archivoltenfiguren beginnt an den Seiten unten rechts und unten links und ändert sich bei den fünf Archivolten an verschiedenen Scheitelpunkten, so daß sich nicht eine gemeinsame, durchgehende Schnittlinie für alle fünf ergibt (...).
Die Archivoltenfiguren stehen wie auf einem Podest, auf einem kleinen, nach vorn gewölbten Vorsprung. Sie sind weder in Größe noch Motiv einheitlich. Es finden sich positiv wie negativ belegte Figuren, Handwerker, Tiere, Musiker, Soldaten, ein Magier, Engel, Propheten, Heilige und Pilger neben Darstellungen der Luxuria und der Avaritia, einer Sirene, Mischwesen und Akrobaten. Lange, schlanke Männer und Frauen stehen neben gedrungenen Figuren mit überproportional großen Köpfen. Zum Teil wurden Skulpturenfragmente, einzelne Köpfe und Torsi eingefügt und Figuren beschnitten, um in den verbleibenden Raum eingepaßt zu werden. Einige Skulpturen breiten sich über den ihnen durch die Hohlkehle vorgegebenen Raum seitlich aus und überschneiden die sie begrenzenden Ornamentbänder (...). Die Einzelfiguren sind unterschiedlich sorgfältig ausgearbeitet, meist sind die der Augenhöhe des Betrachters näher liegenden Skulpturen detaillierter ausgestaltet und zeigen im Verhältnis zu dem kleinen Maßstab eine erstaunlich feine, differenzierte Ausarbeitung.
Drei der sechs Gewändekapitelle sind figürlich ausgestaltet, drei sind hauptsächlich vegetabil gearbeitet. Links außen wird die Verkündigung an Maria dargestellt (...). In einer ungewöhnlichen Variante des Motivs ist der Gottesmutter eine zweite Frau, eine Magd beigegeben. Es folgt die Darbringung Christi im Tempel nach Lk 2, 22-40 (...). Maria reicht das Kind, das auf dem Altar sitzt, dem Priester Simeon. Die alte Prophetin Hanna (oder eine Magd) hält die Opfertiere, zwei Tauben, in ihren verhüllten Händen. Die beiden folgenden Kapitelle, die an den Innenseiten des Gewändes einander gegenüberstehen, zeigen eine Reihe von stilisierten Häusern, die abwechselnd aus einem Haus mit geradem und einem Haus mit Spitzdach gebildet werden und von schmalen, hochrechteckigen Fenstern durchbrochen werden (...). Unter dem Häuserfries belegen Vögel (...) und zu Schleifen gewundene Blätter (...) den Kapitellkörper. Das rechts folgende Kapitell (...) zeigt ein in der romanischen Bauplastik seltenes Motiv; das Urteil König Salomos (1. Kön. 3, 16-28). Der für seine Weisheit berühmte König Salomo thront an der Kapitellkante. Er wird begleitet von einem Diener, auf dessen Hand ein Vogel sitzt. Ihm gegenüber stehen die streitenden Mütter mit dem in Tücher gewickelten Kind.
Das Kapitell rechts außen wird im Unterschied zu den anderen fünf figürlich bzw. besonders fein vegetabil ausgestalteten Kapitellen aus einfachen, übereinander geordneten Blättern gebildet (...). Die Kämpfer der Gewändekapitelle sind im Verhältnis zum Kapitellkörper sehr breit. Die Deckplatten des linken Gewändes überzieht ein wellenförmig verlaufendes Laubband. Siebenblättrige Palmetten belegen die Kämpfer des rechten Gewändes.
An den Säulen des linken Gewändes stehen drei kostbar gekleidete Frauen, die Schrifttafeln bzw. Bücher vorführen (...). Die in die Tafeln eingemeißelten Namen weisen sie als Maria Magdalena, Maria, die Mutter Christi und Maria Jacobi aus. Auf der Tafel der Gottesmutter nennt die Inschrift außerdem den Künstler, der die Figur geschaffen hat: Leodegarius me fecit.
Im rechten Gewände sind drei Männer dargestellt. Die beiden inneren Säulenfiguren zeigen ältere Männer, die einen Schlüssel (nicht mehr erhalten) und ein Buch umfassen und als die Apostelfürsten Petrus und Paulus anzusprechen sind. Die Gewändefigur rechts außen fällt in jeder Hinsicht aus dem Kontext heraus. Ein junger Mann, nur mit einem Tuch um die Hüften bekleidet, hängt an einem Strick, der sich um seinen Hals zusammenzieht (...). Astansätze zeichnen den Säulenschaft als Baum aus, an dem sich der Mann erhängt an. Über seinem Kopf stürzt ein Dämon mit ausgestreckten Krallen herab bzw. hält den Strick. Es ist Judas, der sich nach seinem Verrat selbst erhängt hat. Eine Inschrift auf der Brust benennt den Verräter: Judas Mercator.
Die Zwickel rechts und links der Archivolten, die sich durch die Begrenzung zu den Seiten und nach oben ergeben, sind in Reihen übereinander geordnetet, mit Skulpturen gefüllt (...). Flachreliefs stehen neben fast vollplastisch gearbeiteten Einzelskulpturen. Die Zahl der in einer Reihe plazierten Skulpturen nimmt dem sich verjüngenden Zwickel folgend ab, bis nur noch je eine Skulptur in den verbleibenden schmalen Raum paßt. Innerhalb der insgesamt 48 Einzelskulpturen der beiden Zwickel ist kein thematischer Schwerpunkt auszumachen. Mischwesen, darunter Greife, Harpyien und Drachen, werden mit Vierbeinern - Pferden, Hunden oder Kühen - kombiniert. Rätselhafte Flechtbänder unterschiedlicher Form und ein Vorhang (...) stehen neben figürlichen Szenen, etwa dem Kampf eines jungen Mannes gegen einen Drachen (...), zwei ringenden Männern (...) und einem Reiter, unter dessen Pferd ein nackter Mann liegt (...).
Größere Reliefs illustrieren Episoden aus der Genesis, z.B. Adam und Eva an dem Baum der Erkenntnis (...) sowie Ereignisse aus den Evangelien, so die Heimsuchung (...) und die Verkündigung Mariens (...). In den beiden Zwickeln wurden außerdem Einzelfiguren eingelassen, die aufgrund ihrer Größe und Form ursprünglich höchstwahrscheinlich als Archivoltenfiguren konzipiert waren (...).
Über dem kompakten Mittelteil des Portals und dem Gewände erhebt sich das sogenannte Obere Apostolado (...). Vierzehn im Vergleich riesige, unter Arkaden stehende Figuren beherrschen das obere Drittel der Gesamtfassade. Die zwölf Apostel begleiten den in ihrer Mitte thronenden Gottessohn, der von den vier Wesen des Tetramorph und zwei Engeln umgeben wird. Das Obere Apostolado steht mit seiner klaren Gliederung und den vergleichsweise sparsam eingesetzten großen Figuren im Gegensatz zu dem unteren Portalteil mit seinen zahlreichen kleinen Skulpturen, die alle Fassadenteile überziehen. Es wird von dem unteren Portal durch ein Gesims aus Ranken und Früchten abgesetzt. Ein ebensolches Gesims trennt die beiden Arkadenreihen voneinander, eine Laubranke schließt die gesamte Fassade nach oben ab.
In die beiden, das Portal seitlich einfassendenPfeiler sind an den Stirn- wie auch an den Innenseiten vollplastische Skulpturen eingelassen (...), die z. T. ursprünglich vermutlich als Konsolen oder Kapitelle dienten. Außerdem befinden sich dort stark mutilierte Reliefs sowie dreiansichtige Skulpturen, die genau die Pfeilerbreite einnehmen und daher wahrscheinlich für diese Versetzung konzipiert worden sind. Die Skulpturen am linken Pfeiler sind stark in Mitleidenschaft gezogen, da sie bis 1950 teilweise in die Mauer eines Anbaus eingelassen waren (...). Unter den Pfeilerskulpturen sind einige Reliefs von besonderer Qualität und mit seltenen Motiven hervorzuheben. So zeigt z. B. eine große Figurengruppe am rechten Pfeiler in feiner Ausarbeitung Christus im Kreis seiner Jünger (...). Eine dreiansichtige Komposition stellt die Törichten Jungfrauen in einer Bogenarchitektur stehend dar (...).
Der große Bestienkopf am rechten Pfeiler (...), der einen Akrobaten verschlingt, diente vermutlich ursprünglich als Konsolstein. Zwei Reliefs am rechten Pfeiler (...) illustrieren ein ausgesprochen seltenes Motiv: die Legende von den ungläubigen Hebammen Zelemie und Salome.
Direkt unter dem Dach sitzen zehn Konsolfiguren. Sie führen die aus vielen Kirchen bekannten Tierköpfe und ein sich umarmendes Menschenpaar vor. In der Plumpheit der Ausführung unterscheiden sie sich von der übrigen Fassadenplastik Santa Marías."
Beatrix Müller, Santa María la Real, Sangüesa(Navarra), Die Bauplastik Santa Marías und die Skulptur Navarras und Aragóns im 12. Jahrhundert, Rezeptor, Katalysator, Innovator?
Dissertation, 1997, Humboldt-Universität Berlin, Philosoph. Fakultät III, S. 28-33
zu San Isidoro in Leon